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19 - Am Jenseits

19 - Am Jenseits

Titel: 19 - Am Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Stimme des Basch Nazyr:
    „Ich bitte dich, gib dir keine Mühe, Effendi! Ich habe schon selbst erfahren, daß jedes Wort umsonst ist. Mein Tod ist beschlossen, und davon gehen diese Leute um keinen Preis ab. Ich bin selbst schuld daran, denn ich habe deine Worte in den Wind geschlagen und werde nun dafür bestraft. Aber ich will nicht wie ein armseliges Paket, sondern wie ein Mann sterben. Bindet mir die Füße los! Ich will die Kugel stehend empfangen. Tut mir wenigstens diesen Gefallen! Ich fliehe nicht; ich gehe keinen Schritt von der Stelle, von welcher aus ich durch die Pforte des Todes treten soll!“
    Da lachte der Scheik wieder in der schon beschriebenen Weise auf und antwortete:
    „Diesen Wunsch werde ich dir gern erfüllen, denn ich bin ein menschenfreundlicher Mann, und es wird ja doch dein letzter sein in diesem Leben!“
    Er ging zu ihm hin und gab ihm die Füße frei. Der Perser stand auf, kam langsam auf mich zu und sah mir in das Gesicht. Er mochte auf demselben lesen, was in mir vorging, denn er schüttelte den Kopf und sagte:
    „Denk nicht darüber nach, wie mir vielleicht zu helfen wäre! Wir sind nicht zu retten und können nichts tun, als mit Würde sterben. Ich bin nicht nur schuld an meinem, sondern auch an deinem Tod. Hier bitte ich dich nicht um Verzeihung, denn alle Ohren, welche es hier gibt, sind es unwert, solche Worte anzuhören. Aber du wirst nur wenige Minuten nach mir durch die große Mauer, welche Ben Nur uns zeigte, nach Es Setschme, den Ort der Sichtung, kommen, und da erwarte ich dich, um dich auf meinen Knien und mit der Hand zu bitten, mir meine Unbedachtsamkeit zu verzeihen. Wie ich dich kenne, weiß ich, daß ich nicht umsonst bitten werde. Ja?“
    „Ich verzeihe dir schon jetzt“, antwortete ich. „Das Leben der Menschen steht in einer höheren Hand, die uns noch im letzten Augenblick retten und sogar die Kugeln lenken kann. Ihr wollen wir uns anvertrauen!“
    „Tut das, wenn es euch beliebt!“ lachte der Scheik abermals. „Ich habe aber auch eine Hand, und der entkommt ihr nicht, so wahr euer Es Setschme, der Ort der Sichtung, nichts als Schwindel ist! Aber da ihr glaubt, dort drüben so schön vereinigt zu sein, will ich euch zu Liebe dafür sorgen, daß ihr es schon hier sein werdet. Wir graben jetzt ein Grab, in welches wir euch nebeneinander legen. Die Leichen der Asaker mögen die Geier fressen, sie bleiben liegen; euch aber sollen nur die Würmer bekommen. Das ist der einzige Unterschied, den wir zwischen zwei Arten von Halunken machen. In der Hölle trefft ihr doch mit ihnen zusammen!“
    Seine Beni Khalid machten sich auf seinen Befehl daran, ein Loch in den Sand zu wühlen, nicht weit von uns und grad vor unsern Augen, so daß wir zusehen konnten. Das gab doch einen Aufschub, jetzt kostbar, denn es stand außer allem Zweifel, daß Halef sich der allergrößten Eile befleißigen werde. Ich wußte zwar nicht, wie lange Zeit ich betäubt gelegen hatte, aber da mein Hedschihn sich während derselben so ruhig niedergelegt hatte und von den Beduinen trotz der Erregung, welche unser Erscheinen hatte hervorbringen müssen, gar nicht mehr beachtet worden war, so durfte ich annehmen, daß dieser Zustand der Besinnungslosigkeit von längerer Dauer gewesen sei. Die Hoffnung, daß die Haddedihn noch rechtzeitig zu unserer Rettung eintreffen würden, war also gar nicht ausgeschlossen.
    Das hätte ich dem Perser gerne gesagt; aber der Scheik und auch der Ghani hielten uns so scharf unter ihren Augen, daß mir kein leises Wort ermöglicht war. Sie hinderten aber den Basch Nazyr nicht, laut zu sprechen:
    „Effendi, da unser Geschick sich in dieser Weise geändert hat, will ich dir eine Mitteilung machen, welche dich interessieren wird. Ich habe darüber geschwiegen, weil ich glaubte, daß du Dschafar Mirza zürnen werdest.“
    „Warum?“
    „Er hat mir ein Geschenk gemacht, welches er erst von dir erhalten hat.“
    „Darüber kann ich doch nicht zornig sein! Das Geschenk gehörte dann ihm, und er konnte also darüber verfügen, wie es ihm beliebte. Wir haben uns gegenseitig wiederholt mit Gaben erfreut. Welches Geschenk meinst du?“
    „Das kleine Buch in persischer Sprache ‚El Beschaïr el arba‘ (Die vier Evangelien). Ich habe mit ihm in innigerer Beziehung gestanden, als ich dir bisher gesagt habe und jetzt in der Todesstunde sagen kann. Du weißt, sein Leben war geheimnisvoll, und darum schwieg ich gegen dich. Er hat das Buch gelesen und jede Zeile desselben in

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