19 - Am Jenseits
Sachen oder Personen zu kämpfen, den wir indessen schon auf andere Weise ergriffen haben?“
„Das wäre feig!“ brauste der Scheik auf. „Wir würden es aller Welt verkünden, daß ihr euch vor uns fürchtet!“
„Darüber lache ich. Verkündige es doch, indem du unser Gefangener bist, der wahrscheinlich eine Kugel bekommt! Auch irrst du dich gewaltig, wenn du meinst, der Mann zu sein, dessen Urteil über den Mut der Haddedihn maßgebend sei. Wir sind fünfzig, ihr aber zählt mehrere hundert Krieger; dennoch liegt ihr gefesselt hier bei uns. Eure tapfern Beni Khalid sind vor dem ‚Geist‘ ausgerissen; wir aber sind geblieben. Wer hat da Mut und wer nicht? Und was die Soldaten betrifft, so wird der Zweikampf natürlich nur dann über sie entscheiden, wenn sie sich zu der Zeit, in welcher er beginnen soll, noch in den Händen der Beni Khalid befinden. Merke dir genau, was ich dir jetzt gesagt habe, denn um Leute, welche ihr nicht mehr habt, kann es keine Entscheidung geben! Damit bin ich einstweilen mit euch fertig. Ich wünsche, von jetzt an nicht mehr von euch mit Worten belästigt zu werden. Seht hier meine Peitsche! Wer von euch noch ein Wort sagt, ohne daß ich ihn dazu auffordere, dem wird sie den Mund sofort schließen. Dies ist ein Versprechen, welches ich gewißlich halten werde. Wir haben mehr zu tun, als uns so ganz unnützerweise hier mit euch herumzustreiten!“
Der Ton, in welchem er dies sagte, war so überzeugend, daß sie von nun an schwiegen. Sein Verhalten hatte meine volle Billigung. Ich freute mich über ihn. Seit ich die Entscheidung in seine Hand gelegt hatte, war es, als ob er ein ganz anderer Mann geworden sei. Er fühlte sich unabhängig von mir und das gab ihm eine Sicherheit, eine Ruhe, welche von seiner sonstigen Leichterregbarkeit wohltätig abstach. So stellte er auch jetzt, ohne mich vorher zu fragen, einige Haddedihn als Posten aus, welche den Zweck hatten, uns von einer etwaigen Annäherung der Beni Khalid rechtzeitig zu unterrichten. Der Brunnen wurde untersucht, der hinabgelassene Eimer schöpfte Wasser, und so konnten, wenigstens so weit es jetzt reichte, unsere Pferde und Kamele getränkt werden. Während dies geschah, ging er zu Hanneh hinüber, um ihr Bericht zu erstatten. Wir hätten sie gern herüber zu uns geholt, aber da sich der Münedschi, den wir noch verheimlichen wollten, unter ihrer Aufsicht befand, so konnte dies für jetzt noch nicht geschehen.
Kara Ben Halef überwachte die Arbeiten am Brunnen, damit jedes Tier sein Teil bekomme, und ich machte einen Spaziergang, um nachzusehen, ob die Posten sich so, wie es ihrer Aufgabe entsprach, aufgestellt hatten. Unser Zusammentreffen mit den Beni Khalid hatte sich jetzt verwickelter gestaltet, als es anfangs zu vermuten gewesen war, doch zweifelte ich nicht daran, daß die Lösung eine für uns befriedigende sein werde. Wir hatten ja immer Glück gehabt, und es gab keinen Grund, anzunehmen, daß es uns grad dieses Mal verlassen werde –
DRITTES KAPITEL
El Mizan
Grad als ich von meinem Gang zurückkehrte, kam auch Halef wieder. Als er mich sah, kam er auf mich zu und verhinderte mich dadurch, ganz bis zum Feuer zu gehen. Er schien mir also etwas mitteilen zu wollen, was für mich allein bestimmt war.
„Sihdi“, sagte er in geheimnisvollem Tone, „du hast mir zwar erlaubt, ganz allein und selbständig zu bestimmen, aber es liegt jetzt etwas vor, was ich doch nicht tun möchte, ohne dich vorher gefragt zu haben.“
„Was ist's?“ erkundigte ich mich.
„Du kennst doch meine Hanneh, welche nicht nur die herrlichste unter allen Erdenblumen ist, sondern auch das klügste Köpfchen unter sämtlichen Köpfen aller Menschen hat. Das weißt du doch?“
„Allerdings.“
„Schön! Wenn du das noch nicht wüßtest, so würdest du es jetzt erfahren, erkennen, einsehen, zugeben und bestätigen müssen. In diesem ihrem gescheiten Köpfchen ist nämlich ein Plan entstanden, welcher der vortrefflichste Plan aller Pläne ist und mich geradezu begeistert hat. Du stehst so still da. Bist du nicht begierig, zu erfahren, was ich meine?“
„Ich bin still, weil ich es um so eher erfahre, je weniger ich selbst rede, sondern dich sprechen lasse.“
„Dieser Plan betrifft nämlich die gefangenen Soldaten. Wir haben uns von dem Versprechen, welches wir dem Scheik der Beni Khalid gaben, in jeder Beziehung unabhängig gemacht, nur aber nicht in Betreff dieser Soldaten, um deren Befreiung noch erst gekämpft werden muß.
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