1908 - Asyl im Eismeer
irgend etwas im Schilde!"
*
Die beste Klinik von Phemiukendarab befand sich am Stadtrand. Zuunimalkhahen hatte darauf verzichtet, den kalten Prinzen ständig in seiner Nähe zu wissen, und ihn statt dessen den fähigsten Medizinern seines Volkes übergeben.
Der Nachteil war, daß er auf diese Weise häufig große Strecken zurückzulegen hatte.
Wasser stellte ein wunderbares Medium dar - einer Gasatmosphäre in vieler Hinsicht überlegen. Zuunimalkhahen hätte wirklich nicht ohne Wasser leben mögen.
Der Nachteil lag jedoch in der geringen Durchlässigkeit.
Phemiukendarab verfügte deshalb über ein System von Rohrbahnen. In den Röhren herrschte nahezu Vakuum. Objekte konnten ohne störende Reibung, vor allem ohne Verdrängungswiderstand, auf hohe Geschwindigkeiten beschleunigt werden.
Zuunimalkhahen schwamm ins Zentrum seines Palastes, zum nächsten Rohrbahnknotenpunkt. Er ließ sich in eine wassergefüllte Kapsel schließen.
Die hundert Kilometer legte er in wenigen Minuten zurück. Es war stets ein beklemmendes Gefühl, eingesperrt in einem Behälter mit zerbrechlicher Schale, unterwegs mit vielen tausend anderen Kapseln, gesteuert von einem positronischen Rechner.
Zuunimalkhahen versuchte, das Unbehagen zu ignorieren. Schließ die Augen ... Die kurze Reise tat ihm sogar gut, überlegte er. So dachte er nicht mehr permanent an die Setchenenflotte.
Der Fürst der Propteren nickte einen Moment lang ein.
Ein kurzes, stechendes Gefühl im Schädelkranz erschreckte ihn plötzlich; seine Schwimmblase und seine Organe wurden zusammengepreßt. In der Kapsel wurde ein automatischer Druckausgleich vorgenommen, weil das Ziel hundert Meter tiefer lag als der Palast.
Am Außenschott leuchtete eine Schrift auf: ZIEL ERREICHT.
Als er wieder in den freien Ozean tauchte, hatte sich der Geruch verändert. Es war nicht mehr der frische Duft von Hochgebirgswasser, so wie am Palastfjord, an der Mündung des Flusses. Statt dessen erfüllte ein muffiger Geschmack das Meer, an den er sich erst gewöhnen mußte. Schuld war der schlammige, wenig fruchtbare Boden in diesem Viertel.
Die Klinik hing an zwanzig meterdicken Polymerseilen. Auftriebskörper sorgten dafür, daß der gläserne Gebäudekomplex permanent in Richtung Oberfläche gezogen wurde, und die Seile hinderten die Klinik daran, weiter als bis zur Standardhöhe aufzusteigen.
Zuunimalkhahen wurde mit Respekt empfangen. Eine kleine Delegation von Medizinern stand ihm zur Verfügung, auch wenn er es vorgezogen hätte, allein durch die Korridore zu treiben.
Man geleitete ihn ins Aquarium; eine separate Zone für die wichtigen Patienten des Planeten. Hochgestellte Persönlichkeiten ließen sich hier behandeln, die wichtigsten Wirtschaftsmagnaten oder Mitglieder der Regierung. Die Hälfte seiner Berater hatte schon einmal die Klinik aufgesucht. Manchmal kamen sogar Raumschiffskonstrukteure aus dem Orbit her, weil das Aquarium einen legendären Ruf genoß.
Aber alles das schien nichts zu nützen. Wo die medizinische Kunst am Ende war, konnten nur noch Wunder helfen.
Prinz Mahaagh dümpelte in einem engen, transparenten Becken. Für den Kleinen war es nicht gut, wenn er sich viel bewegte.
Zuunimalkhahen schätzte, daß sein einziger Nachkomme nicht, mehr als zehn Kilogramm wog. Sein ringförmiger Schädel sah so winzig aus, so mitleiderregend zerbrechlich - Zuunimalkhahen empfand einen starken Impuls, ihn in seinen Armen zu bergen.
Die Prinzen-Mutter war natürlich bei der Geburt gestorben. Zuunimalkhahen erinnerte sich gut an den glücklichen Augenblick.
Aber dann die Komplikation: Statt alle ihre Kräfte an den Sprößling weiterzugeben, wie es jede Mutter tat, hatte sie um ihr eigenes Leben gekämpft.
Sie war zu dem Zeitpunkt nicht mehr bei Verstand gewesen. Und als sie dann starb, hatte sie Mahaagh mehr vorenthalten, als der Kleine verkraften konnte.
Der Prinz war zwanzig Tage alt. Seine Körpertemperatur hatte in dieser Zeit noch nicht einmal achtzehn Grad erreicht.
Zuunimalkhahen fürchtete, daß der Prinz das Ende des Monats nicht erleben würde. „Ich möchte zu ihm", hörte er sich sagen.
Die Mediziner öffneten ihm ein enges Luk.
Er trieb ins warme Innere, und er sog den Geruch des Krankenwassers mit wachen Sinnen ein. Mahaagh duftete nur sehr schwach, weil er kaum noch am Leben war.
Sein Eigengeruch setzte sich jedoch gegen das gefilterte Gebirgswasser deutlich durch.
Zuunimalkhahen öffnete seinen Armkranz.
Er barg den Prinzen in einer
Weitere Kostenlose Bücher