1908 - Asyl im Eismeer
Katalysehormon ins Wasser gespeist", knarrte der Arzt, der die Expertengruppe führte. Seine Stimme sank vor Furcht bis in den Infraschallbereich den auch ein Proptere kaum noch hörte.
Zuunimalkhahen fragte: „Mit welchem Resultat?"
„Keines, mein Fürst."
Aber das hatte sich Zuunimalkhahen denken können, denn er sah ja den Zustand des Prinzen. „Welche medizinischen Möglichkeiten bleiben noch?"
„Wenn es soweit ist, können wir ihn künstlich am Leben halten. Mahaagh wird dann nicht sterben, aber er wird auch niemals wieder zu Bewußtsein kommen."
„Das verbiete ich. Ein Prinz ist nicht zum Vegetieren geboren, sondern zum Herrschen."
Zuunimalkhahen starrte auf das enge Becken mit dem Jungen. Zwanzig Tage alt, überlegte er; schwer vorstellbar, daß ein hilfloses Bündel wie dies einmal das Volk der Propteren regieren sollte.
Der Mediziner erklärte: „Wir haben mit der Entscheidung gerechnet. Deshalb haben wir um Euren Besuch gebeten, mein Quellfürst.
Die Temperatur des Kleinen ist immer dann um einen kleinen Wert gestiegen, wenn Ihr anwesend wart. Vielleicht könnte es helfen, wenn Mahaagh diese Anwesenheit permanent spürt. Der Prinz fühlt sich möglicherweise einsam."
„Heißt das, ich soll länger bleiben?"
„Ja. Einige Tage. In dieser Zeit wird es sich entscheiden."
Zuunimalkhahen wollte antworten: „Ich habe keine Zeit", doch der Anblick des Prinzen ließ ihn doch innehalten.
Angenommen, sein Nachkomme starb wirklich, würde er den Verlust jemals verwinden? Würde er ein weiteres Mal fortpflanzungsfähig sein? Niemand konnte es garantieren.
Einige Minuten lang sagte er gar nichts. Die Entscheidung, die er am Ende traf, erfolgte spontan und ohne logischen Bedacht. Ein Herrscher trug Verantwortung, doch er besaß auch Rechte.
Mahaagh war das Wichtigste, was es auf der Welt für ihn gab. „Ich will zu ihm", hörte er sich sagen. „Öffnet das Tor!"
„Möglicherweise gibt es ein Problem. Das Katalysehormon befindet sich noch im Wasser. Wir möchten es nicht aus tauschen, weil das Mahaagh im Augenblick beeinträchtigen könnte."
„Es wird mir nicht schaden", versetzte er ungeduldig.
Die Mediziner wagten keinen Widerspruch.
Sie öffneten ein unsichtbares Schleusentor und führten ihn ins Innere, Zuunimalkhahen konnte das Hormon schmecken, ein bitterer Duft in der Frische des Quellwassers.
Behutsam versetzte er Prinz Mahaagh einen Stoß. Die Arme des Kleinen zuckten kaum.
Für Zuunimalkhahen war es ein furchtbarer Anblick.
Mit aller Zärtlichkeit, die er in sich fand, barg er den Kleinen in seinen Armen, in einer lückenlosen Umklammerung, mit einer verzweifelten Intensität. Er hoffte, daß er den Körper des Prinzen erwärmen konnte.
*
Om Verhaybb blickte starr auf die Statistik, als könnten ihre Blicke etwas ändern.
Bevölkerung insgesamt: 2,77 Millionen.
Davon weiblich: 2,47 Millionen. Männlich: 0,30 Millionen. Nahrungsmittel: keine. Wasser: keines. Atemluft: unerheblich. Medikamente: am Ende. Energie: keine.
Die Aussage schien klar zu sein. Sie waren am Ende. Kälte und Hunger brachten sie um, nur der Durst war noch nicht ganz so schlimm, weil das Wasser erst vor einer Stunde zur Neige gegangen war.
Die Kommandantin spürte eine ihrer kleinen Hände nicht mehr, die Hand auf der linken Seite. Wenn es für sie noch einmal Rettung gab, egal auf welche Weise, würde man sie amputieren müssen Reginald Bull, der Terraner, erklärte ihr: „Es hilft nichts, wie das Kaninchen vor der Schlange auf Tabellen zu starren. Energie ist jetzt das schwierigste. Wir haben sie nicht, und aus. Also müssen wir uns mit Primitiven Mitteln behelfen."
„Was sind das für primitive Mittel, Reginald Bull?" fragte Om Verhaybb müde. „Wir besitzen keine Werkzeuge, gar nichts."
„Wir müssen Feuer machen. Dann wird es warm."
Om Verhaybb produzierte ein klickendes Geräusch, von dem sie hoffte, daß der humorbegabte Terraner vor ihr es als Lachen verstand. „Lagerfeuer in einem Raumschiff? Was für ein seltsamer Gedanke. Aber wir haben auch kein Holz und kein Öl, Reginald Bull."
„Das werden wir auch nicht brauchen. Ich habe selbst gesehen, daß eure Wrack-Schiffe nach dem Aufprall gebrannt haben wie Zunder. Irgend etwas muß es also geben, was leicht entzündlich ist und Hitze produziert. Ich tippe auf einen häufig verwendeten Kunststoff."
Die Tatkraft des Terraners verwunderte und erschreckte sie, beides zur gleichen Zeit. „Ich weiß nicht ...", meinte die Kommandantin
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