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1913

1913

Titel: 1913 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Illies
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von der jungen Frau im Leinenschrank verwahrt, und dort ruht es – ungebraucht und ungewaschen – bis es einst das im Tod erstarrte Antlitz seiner Besitzerin deckt und ihr ins Grab folgt. Dieses Tüchlein heißt das Tränentüchlein.«
    So die Sätze aus der »Gartenlaube«. Sie lesen sich wie eine Kurzgeschichte von Franz Kafka.
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    Marcel Duchamp fährt mit seiner 18 -jährigen Schwester Yvonne nach England, in Herne Bay an der Nordküste von Kent lernt sie Englisch in einer Sprachschule. Duchamp macht nur Urlaub und schreibt: »Herrliches Wetter. Soviel Tennis wie möglich. Ein paar Franzosen, so dass ich gar kein Englisch zu lernen brauche.« Auf Kunst hat er immer noch keine Lust.
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    Max Liebermann ist wie jedes Jahr auch diesmal Anfang August an die holländische Nordseeküste gereist, diesmal ist er im mondänen Strandhotel Huis ter Duin in Noordwijk abgestiegen. Aber er weiß nicht, warum er sich ausruhen soll. Er hat nur Lust zum Malen. In den Dünen des Seebades zeichnet er wieder die Jäger, die Reiter im Wasser, die Damen beim Tennisspiel. Der Himmel ist immer grau auf diesen Bildern vom Sommer 1913 , doch Liebermann stört das am wenigsten, es ist ein schöner Kontrast zum Weiß der Kleider und zum sandigen Beige. Am 18 . August schreibt er an seinen Freund und Förderer Alfred Lichtwark in Hamburg: »Ich bin seit einer Woche wieder hier, wo ich jeden Menschen, jedes Haus, fast jeden Baum kenne, ja beinahe Alles gemalt habe. Es ist wie eine Badekur an den inneren Menschen, wo ich hier einige Wochen einsam lebe.« Tag für Tag nimmt er seine Farben und seine Staffelei und zieht hinaus, heute will er gemeinsam mit Paul Cassirer, seinem Freund, Händler und damaligen Vorsitzenden der Berliner Secession, einen Tabakmagnaten in seinem Sommerhaus in Noordwijk besuchen. Beziehungsweise: dessen Hundezwinger. Ein angestellter Jäger öffnet die Hütte, worauf acht ziemlich kleine, zottelige Spaniels zum Vorschein kommen, welche grau oder weiß sind und wild durcheinander kläffen, bis ihre Hängeohren aufgeregt hin und her wackeln. Liebermann lernt vom Besitzer, dass man mit Spaniels hervorragend Kaninchen jagen kann. Sie ziehen gemeinsam los in die Dünen. Liebermann nimmt seine Staffelei mit, um den Jäger mit seinen Hunden im Gefolge zu malen, da kracht schon der erste Schuss durch die Luft. Das erschreckt Liebermann jedes Mal und es ärgert ihn, dass seine Modelle so viel Lärm machen müssen. Er will jetzt ganz rasch die Hunde malen, deren Silhouetten sich auf dem Dünenkamm vor der untergehenden rosigen Sonne abzeichnen. Dann skizziert Liebermann, wie der Jäger das Gewehr über die Schulter legt und die Hunde zusammengekoppelt werden, doch da versinkt schon die Sonne im Meer und Liebermann muss mitten im Zeichnen abbrechen. Er verabredet sich für den nächsten Morgen – und der Jäger verspricht, dann nicht zu schießen, sondern nur Modell zu stehen. So entsteht »Jäger mit Hunden in den Dünen«.
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    Am 28 . August nimmt Kaiser Franz Joseph an der letzten Treibjagd der Hochleiten-Jagd auf dem Steinkogl bei Bad Ischl teil und schießt einen Bock.
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    Hugo von Hofmannsthal flippt aus in einem Brief an Leopold von Andrian vom 24 . August 1913 : »Dieses Jahr hat mich Österreich sehen gelehrt, wie 30 vorhergehende Jahre es mich nicht sehen gelehrt hatten. Ich habe das Vertrauen vor dem obersten Stand, dem hohen Adel, den ich hatte, das Zutrauen, er habe, gerade in Österreich, etwas zu geben und zu bedeuten, völlig verloren. Wien ist einer Pöbelherrschaft ausgeliefert, der schlimmsten die es gibt, der des boshaften, stupiden, niederträchtigen Kleinbürgertums.«
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    Ein neuer Mann betritt die Bühne des Jahres 1913 : Heinrich Kühn. Ein Dresdner Bildungsbürger, geboren im Haus »Zu den neun Musen«. Dank Zuwendungen des Vaters lebt er als Privatier in Innsbruck und gibt sich völlig dem Fotografieren hin. Kühn ist ein bedächtiger Exzentriker, der Tiroler Tracht trägt oder englische Anzüge, darüber, wenn er fotografiert, einen weitschweifigen, zerknitterten Mantel – den sieht man auch auf seinem Exlibris, wo man nicht erkennen kann, wer mehr Falten hat, der Übermantel oder die Faltkamera. Ihn umwehte ein Hauch des Altmodischen und des Naiven. Und doch gelingen gerade ihm Fotografien von größter Modernität. Voller Frische, Unschuld, Anmut, Kraft schauen uns seine Bilder aus dem Jahre 1913 an. Da ist zum einen die Komposition mit den extremen Untersichten. Und da ist zum

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