1914 - Schmelztiegel Kristan
Es spritzte ihnen entgegen und durchnäßte ihre Spitzmützen. „Ihr gehört ebensowenig zum Tampa-Konsortium wie ich zur Guaranteka. Ich verlange, sofort freigelassen zu werden. Ansonsten rufe ich mein Mutterschiff. Ein Wort von mir, und es legt euer Gründerviertel in Schutt und Asche."
„Vorher schlagen wir dich kurz und klein", kam es dreimal so laut zurück. „Du weißt, was dein Erzeugerpaar unternimmt, wenn du nicht mehr zurückkehrst? Es läßt sich von uns eine angemessene Entschädigung zahlen und widmet sich der nächsten Generation.
Das ist alles. Niemand wird jemals nach dir fragen."
„Das ist völlig richtig", räumte Sprwll ein. „Aber warum macht ihr euch dann solche Mühe mit mir?"
Er verkeilte sich im Becken, stemmte den Rücken gegen die Wand und das untere und mittlere Paar seiner Gliedmaßen gegen die einen Meter hohe Einfassung des Beckens. Er pumpte noch mehr Luft in die Hohlräume seines Körpers, erhöhte so den Druck auf die Mauer um mindestens fünfzig Prozent.
Sekunden später barst sie. Mehrere Hektoliter Wasser ergossen sich in den Raum und rissen zwei der vier Companeii mit sich. Die beiden anderen flohen die Stufen hinauf.
Sprwll hing in den Ketten und balancierte seinen Körper aus. Ein Sog entstand, der ihn hinausreißen wollte. Die Ketten hielten jedoch. Als das Becken sich geleert hatte, stand er auf. Er hätte viel darum gegeben, jetzt einen Funkspruch abschicken zu können. Aber die Companeii waren nicht zimperlich gewesen und hatten alle seine Taschen ausgeräumt.
„Wenn man euch bestohlen hat, warum verfolgt ihr dann nicht die Diebe, sondern beschäftigt euch mit mir?"
Die beiden Companeii tropften und prusteten.
„Wir müssen jeder Spur nachgehen. Willkürliche Verhaftungen und Befragungen haben bisher kein Ergebnis gebracht. Guarant wird immer aufdringlicher. Wir können sein Machtstreben nicht länger dulden. Er und sein Lamuuni dürfen den Sommer auf Babosa nicht überleben."
Willkürliche Verhaftungen! Automatisch mußte der Tsk an den Vorfall im „Dom der Glückseligkeit" denken. Die Companeii agierten also völlig planlos.
„Was ist ein Lamuuni?" erkundigte er sich.
Er spielte nicht den Ahnungslosen, er wußte es wirklich nicht. Und die Companeii merkten es an der Art und Weise, wie er die sirrenden Laute hervorbrachte.
„Er ist tatsächlich ahnungslos", gestand sich der Folterknecht endlich ein. „Wir haben unsere Zeit mit ihm vergeudet."
Sprwll hörte kaum hin. „Was ist ein Lamuuni?" wiederholte er.
„Ein schwarzer Vogel. Wenn du einem Wesen mit diesem Vogel begegnest, dann kann es sich nur um Guarant handeln."
Sie befreiten ihn endlich von den Ketten, verbanden ihm die Facetten und schafften ihn in einen Gleiter.
„Wie sieht Guarant aus? Wer weiß es?" forschte der Tsk.
„Niemand weiß es. Wäre es uns bekannt, hätten wir ihn bereits aufgespürt und aus dem Verkehr gezogen. Guarant ist Gift für Kristan und für halb DaGlausch."
Sie brachten den Gefangenen zu seinem Fahrzeug zurück. Wenig respektvoll stießen sie ihn ins Freie. Er riß sich die Binde von den Augen und prägte sich ein letztes Mal die Gesichter hinter der durchsichtigen Kanzel ein.
An der Tür seines beschädigten Fahrzeugs klebte eine Folie mit einem Vermerk der KrisPol, daß er das Vehikel binnen drei Tagen wegzuschaffen hatte. Sechs Stunden blieben ihm noch dafür, die restliche Zeit hatte er im Verlies der Companeii zugebracht.
Ärgerlich riß der Tsk die Folie ab, während hoch über ihm die Entführer das Weite suchten. Wenn sie gewußt hätten, wie nahe sie der Wahrheit gewesen waren!
Er folgte dem Gleiter eine Weile mit seinen Blicken und entdeckte plötzlich den Vogel oben an der Dachkante. Das kleine Tier war von schwarzer Farbe, und es äugte scheinbar neugierig zu ihm herab.
Sprwll war ganz sicher, daß auf Kristan keine Vögel mit diesem Aussehen und von dieser Größe lebten.
Es gab nur eine Erklärung: Das dort oben war der Lamuuni, von dem die Companeii gesprochen hatten. Guarants Vogel also.
Der Tsk ließ ein leises, rhythmisches Klacken ertönen, um ihn anzulocken. Es war vergeblich. Das Tier beobachtete ihn eine Weile, dann flog es davon und verschwand hinter den Dächern der Stadt.
9.
Der Unterschied zwischen den beiden Stadtvierteln hätte extremer nicht sein können.
Wo die gepflegten Prachtbauten endeten, zog sich eine dunkle, gut dreißig Meter hohe Mauer quer über die Straße. Hinter ihr lagen Berge von Unrat, und dort
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