1918 - Der Traum der Nevever
Hoffnung, daß er damit den Feind über seine wahre Stärke täuschen konnte.
Doch was das wirklich brachte, würde sich erst im Gefecht weisen. Es hing davon ab, wie sehr der Bluff die Taktik der Ginkoos beeinflußte.
Obwohl die Ginkoos längst ihre volle Stärke erreicht hatten, taten sie nichts, um das Geschehen voranzutreiben. Lovo Kasistan wurde nervös. Er mußte sich fragen, ob die Ginkoos auf weitere Verstärkung warteten. In diesem Falle wäre es klüger gewesen, den ersten Schritt zu tun und sofort zuzuschlagen.
Jedes Hinauszögern einer Entscheidung konnte für ihn eine weitere Schwächung bedeuten.
Gerade als sich Lovo Kasistan entschloß, das Zeichen zum Angriff zu geben, erreichte ihn ein Anruf des ginkooischen Flottenkommandanten.
„Ich habe dir ein Friedensangebot zu unterbreiten, Lovo Kasistan", bot ihm Arzabont an.
„Es gibt nichts mehr zu verhandeln", erwiderte Lovo Kasistan unerbittlich.
Er ging mit seinen Raumfahrern lieber in den Tod, als sich von Arzabont durch eine Aufforderung zur Kapitulation demütigen zu lassen.
„Ich kann dir ein Angebot machen, das du nicht ausschlagen kannst!"
Und so war es tatsächlich.
Arzabont bot den Varmiren die Hälfte des Nankuk-Sektors als Territorium an und die gemeinsame Verwaltung des Limbus entlang der Demarkationslinie.
Lovo Kasistan traute diesem großzügigen Angebot nicht; mehr hätte er sich auch nicht nach einer ausgeglichenen Raumschlacht erwartet. Er vermutete irgendeine Hinterlist, kam aber nicht dahinter, welchen Haken die Sache haben könnte.
Darum sagte er: „Das mit der gemeinsamen Verwaltung wird nicht klappen.
Du weißt nur zu gut, Arzabont, daß die Kluft zwischen unseren Völkern viel zu groß ist, als daß wir irgend etwas gemeinsam tun könnten."
„Wenn du auf die Diskriminierungen deines Volkes durch uns anspielst, dann sind die Ginkoos gerne bereit, dem Abhilfe zu schaffen", erklärte Arzabont dem nun völlig verdatterten varmirischen Kriegsherrn. „Ich will es dir gerne mit Brief und Siegel bestätigen, daß die Varmiren in selber Linie wie die Ginkoos mit dem Ersten Volk verwandt sind."
Wann hatte ein Sieger dem Verlierer jemals schon so ein Angebot gemacht?
Er an Arzabonts Stelle hätte die Ginkoos bis zum letzten Blutstropfen ausgepreßt - und dann nochmals durch die Mangel gedreht.
Lovo Kasistan verstand die Welt nicht mehr. Aber natürlich unterzeichnete er den Friedensvertrag. Dieser erlaubte es ihm, hoch erhobenen Hauptes wie ein Sieger nach Rangknar heimzukehren.
Arzabont reichte ihm zum Abschied die Hand und sagte in ehrlicher Ergriffenheit: „Möge dieser historische Augenblick der Beginn eines immerwährenden Friedens und einer dauerhaften Freundschaft zwischen unseren beiden Völkern sein. Ich hatte den Traum, daß unsere beiden Völker schon in naher Zukunft Brüder werden.„ Das Besorgniserregende an diesem Ausspruch war, daß Arzabont ihn offenbar ernst meinte. Dieses Verhalten war geradezu widernatürlich für einen geborenen Krieger.
Irgend etwas ging da nicht mit rechten Dingen zu. Es war fast, als grassiere ein Virus, das „Friedfertigkeit" hieß. Lovo Kasistan mußte herausfinden, was das für ein Krankheitserreger und welcher Art die Infektionsgefahr war. Es durfte nicht passieren, daß auch sein Volk davon angesteckt wurde.
*
Erst einmal darauf aufmerksam gemacht, erkannte Lovo Kasistan, wie stark dieses „Friedfertigkeitsvirus" bereits in Puydor grassierte. Man konnte geradezu von einer Epidemie sprechen.
Da gab es rawwische Nomadensippen, die ihren Opfern nicht mehr die Schädel einschlugen, um in den Besitz von deren Gütern zu kommen, sondern sie durch Tauschgeschäfte redlich erstanden. Aus rücksichtslosen Räubern waren auf einmal ehrliche Händler geworden. Sie förderten unterentwickelte Völker durch technische Innovationen, machten die Schwachen stark und die Hungernden satt.
Wie sich bei seinen Recherchen nachträglich herausstellte, waren die Rawwen der Agmem-Sippe diesbezüglich die ärgsten Wohltäter. Es lag also auf der Hand, daß Lovo Kasistan die Mitglieder dieser Sippe einmal genauer unter die Lupe nahm Er lauerte mit seinem Flaggschiff YAKUMI einem der Keilraumer auf einer von den Rawwen bevorzugten Handelsroute auf und stellte es. Zu seiner Überraschung waren die Agmemer-Rawwen nicht so friedfertig, daß sie sich nicht gewehrt hätten. Es kostete dennoch keine Mühe, das Keilschiff manövrierunfähig zu schießen und zu entern.
Der Kommandant war ein
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