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192 - Nah und doch so fern

192 - Nah und doch so fern

Titel: 192 - Nah und doch so fern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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belasten.
    (Eins steht fest: Sollte ich Daa’tan auch beim nächsten Wachstumsschub noch helfen müssen, werde ich Vorkehrungen treffen! Es passiert mir nicht noch einmal, dass ich den richtigen Moment versäume), schimpfte der Daa’mure in sich hinein.
    Wumm.
    Grao’sil’aana ruckte hoch. Was war das? Er sah nach unten: Taranay und das Mädchen waren auseinander gezuckt wie unter einem Peitschenhieb. Beide starrten in die Tiefe des Tals.
    Sie sahen blass aus.
    Wumm.
    Grao’sil’aana tastete nach dem Zweiggeflecht, in dem er Daa’tans Schwert versteckt hatte. Mit der Hand am Griff spähte er zu den Schildkrötentoren hinüber. War dort etwas explodiert? Sehen konnte man nichts – die großen Panzer lagen alle an ihrem Platz.
    Der Daa’mure bemerkte einige Kukka’bus, die über dem Tal kreisten. Einzelne landeten kurzfristig auf den Felsen. Ihr seltsames, gellendes Lachen passte nicht zur Situation. Es gab ihnen etwas Dämonisches.
    Grao’sil’aana hielt den Blick auf die dämmerige Talsohle mit ihren Felsvorsprüngen und Senken gerichtet. Hatte sich da hinten etwas bewegt?
    Unter der Schirmakazie war Hektik ausgebrochen. Der Daa’mure hörte, wie Taranay auf das Mädchen einsprach.
    Biradoo schluchzte etwas von Owomba und Gefressenwerden, und davon, dass sie doch längst hätte heimkehren müssen.
    Dann rannten die beiden los.
    Grao’sil’aana runzelte die Stirn. Dort hinten bewegte sich tatsächlich etwas! Genau voraus, an der steil abfallenden Felswand hinter den Schildkrötentoren! Eigentlich konnte es nur ein Schatten sein, so unförmig, wie es war.
    Wumm.
    Es war kein Schatten.
    Aus der Dämmerung kam ein Ungeheuer; riesenhaft, schwarz und keiner bekannten Tierart zuzuordnen. Sein Kurs war vorprogrammiert in dem schlauchförmigen Tal: Er führte Richtung Akazie. Grao’sil’aana zerknirschte einen daa’murischen Fluch zwischen den Zähnen und zog das Schwert, dieses kleine, nutzlose Ding. Was sollte er tun?
    Was konnte er tun?
    Wumm. Die Pranken der Bestie schickten beim Auffußen seismische Wellen durch den Boden, die bis hoch ins Geäst zu spüren waren. Der unheimliche Kopf schwang von einer Seite zur anderen, hob sich. Er erstarrte plötzlich: Das Monster prüfte die Witterung!
    Taranay und Biradoo hätten es zu den Schildkrötentoren schaffen können, denn sie waren deutlich näher an ihnen als der Owomba. Doch auf eine Menschen fressende Bestie zuzurennen, um sich vor ihr zu retten, bedurfte enormer Selbstdisziplin. Die jungen Mandori hatten nicht die Nerven dazu.
    Grao’sil’aana sah, wie das Mädchen unvermittelt stehen blieb. Taranay packte sie an den Handgelenken, versuchte Biradoo gegen ihren Willen vorwärts zu zerren. Sie wehrte sich heftig. Mehrmals knickten ihre Beine ein. Es lag eine unwirkliche Stille über der Szenerie, fast so, als würde man das Ganze hinter Glas beobachten.
    Herzschläge verpochten, ohne dass etwas geschah. Der Owomba hatte seine Nüstern im Wind, die Mandori rangen schweigend miteinander. Nur das Gefühl nahenden Verderbens änderte sich.
    Es wurde stärker.
    (Warum fliehen die beiden nicht in die andere Richtung?) Grao’sil’aana blickte nach unten. (Warum fliehe ich nicht in die andere Richtung?) Er kannte den Grund. Die Kata Tjuta waren ein Labyrinth kahler Inselberge, ihre Täler flach und steinig. Es gab keine Verstecke. Entweder man verschwand in seinen unterirdischen Höhlen, oder man hoffte auf ein Wunder. Wie die Springhasen. Grao’sil’aana hatte nicht mehr auf sie geachtet, weil er annahm, dass sie geflohen waren. Umso erstaunter war er, als er sie jetzt entdeckte. Die Tiere standen wie kleine Salzsäulen in der Nähe der Akazie herum. Sie zitterten, doch sie rührten sich nicht vom Fleck.
    Plötzlich stießen die Kukka’bus herunter; lärmend, der ganze Schwarm, und nahmen Kurs auf ihren Schlafbaum.
    Der Owomba hatte unschlüssig hin und her geblickt, so lange sich Biradoo stumm zu befreien versuchte und die Vögel außer Reichweite am Himmel kreisten. Nun aber, als das Flattervolk über ihn hinweg zog, griff er an.
    Unerwartet schnell schoss das riesige Maul hoch und schnappte zu. Links, rechts, wieder und wieder. Im Handumdrehen hatte die Bestie ein Dutzend Kukka’bus aus der Luft geholt. Dann suchte sie nach größerer Beute.
    Biradoo begann zu kreischen, als der Blick des Owomba an ihr hängen blieb. Klebriger, mit Blut und Federn durchsetzter Schleim triefte aus dem Maul der Bestie. Sie senkte den Kopf, kratzte wie ein wütender

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