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192 - Nah und doch so fern

192 - Nah und doch so fern

Titel: 192 - Nah und doch so fern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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schnurrte ihm ins Ohr: »Es tut mir so Leid, Liebster! Glaub mir, meine Qual ist größer als deine! Du bist so schön, so wild und so… stark! Aber meine Mutter wird mich töten, wenn sie herausfindet, dass ich nicht mehr unversehrt bin. Du weißt ja, dass nur solche Mädchen einen guten Mann bekommen. Einen wie dich!«
    Sie strich ihm sacht über den Bauch. Taranay erschauerte unter ihrer Berührung. Er murmelte halbherzig: »Du könntest ihr ja sagen, dass wir später heiraten werden.«
    »Oh, Liebster!« Biradoo schwang sich über ihn, setzte sich auf seine Schenkel. Sie küsste Taranays Brust, dann den Bauch, dann hielt sie inne. »Wir könnten doch auch jetzt heiraten«, flüsterte sie, mit den Händen an seiner Hüfte.
    »Morgen vielleicht.«
    »Meinetwegen«, seufzte der Junge.
    Biradoos Griff wurde fester. »Wirklich?«
    »Ja-ja!«
    »Versprichst du es mir?« Biradoo hob sich von seinen Schenkeln, glitt ein Stück höher. Taranay konnte sie spüren, ihre Haut, ihre Hitze, und es brachte ihn um den Verstand. In diesem Moment hätte er alles versprochen.
    »Ich verspreche es!«, stöhnte er.
    »Auf Ehre?«
    »Auf Ehre!«
    Grao’sil’aana war irritiert, wenn nicht gar beunruhigt. Er wusste, dass männliche Primärrassenvertreter unverhältnismäßig oft an Paarung dachten. Er wusste auch, dass Primärrassenvertreter Sklaven hielten. Nur dass es da einen Zusammenhang geben könnte, auf die Idee war Grao’sil’aana noch nie gekommen. Er runzelte die Stirn. Hatte sich der Mandori-Junge soeben verkauft? Es schien so, denn in Taranays Bewusstsein regte sich Verzweiflung, wie Grao’sil’aana beim telepathischen Scannen feststellte. Doch sie wurde überlagert von seiner ungezügelten Begierde.
    (Was macht ihren Paarungsakt so besonders, dass sie dafür die Freiheit aufgeben?), wunderte sich Grao’sil’aana. Auf seinem Heimatplaneten war das anders abgelaufen!
    Zweckgerichtet eben. Man vereinigte sich in den kochenden Lavaströmen, sorgte für eine Befruchtung und trennte sich wieder. Die Aufzucht des Nachwuchses war Sache der Daa’murinnen, mit so etwas belastete sich kein männliches Wesen. Erst recht kein Sil.
    Grao’sil’aana erschrak. Verfügten Primärrassenvertreterinnen über bisher unentdeckte Fähigkeiten? Kannten sie vielleicht eine Art Synapsenblockade, die sie bei der Paarung einsetzten, um sich Sklaven zu schaffen?
    (Ich muss Daa’tan vor diesem Unheil bewahren), entschied der Daa’mure. (Ich werde ihm erklären, dass Kopulation nicht opportun ist!)
    ***
    Die Sonne sank. Ihr roter Widerschein beleuchtete einen erschöpften Außerirdischen, der unverändert im Geäst der Schirmakazie ausharrte. Grao’sil’aana wusste nicht, wie viele Stunden er bereits dort ausharrte und wie lange er noch durchhalten konnte, ohne dass sein Kopf zersprang.
    Er war darin geübt, mehrere mentale Aktionen gleichzeitig auszuführen. Er hielt die Aura aufrecht, die Daa’tan und ihn vor der Macht im Uluru verbarg, hatte eine Tarnform angenommen, die ihn mit dem Laub des Baumes verschmelzen ließ, beobachtete weiterhin Taranay und Biradoo, die sich noch immer unter dem Baum amüsierten, und setzte sich dabei mit seiner Identitätskrise auseinander.
    Wenn man von den kopulierenden Mandori einmal absah, herrschte friedliche Abendstimmung im Wellowin. Das Tal war menschenleer. Die Hitze liebenden Eidechsen hatten ihre Sonnenplätze auf den Felsen verlassen; an ihrer Stelle wuchsen erste Schatten herauf. Insekten zirpten ihr Abendständchen in den Wind, der sacht und unentwegt wispernd dahin zog.
    Grao’sil’aana stutzte, als er eine Bewegung bemerkte, knapp einen Steinwurf von der Schirmakazie entfernt. Nacheinander kamen fünf dieser merkwürdigen Springhasen in Sicht, die ihre Jungen in einer Bauchfalte spazieren trugen und auf enormen Hinterfüßen unterwegs waren. Die Tiere suchten den Boden nach Insekten ab. Kreuz und quer sprangen sie durch die Gegend, kamen ein ums andere Mal sogar ziemlich nahe an die Mandori heran. Keine der beiden Parteien ließ sich bei der jeweiligen Beschäftigung stören.
    Besorgnis trat in Grao’sil’aanas Daa’murenaugen, als er zum Himmel aufsah. Das Abendrot verblasste. Bald schon würden die Kukka’bus in den Baum einkehren und ihm den Platz streitig machen. Etwas später kam dann auch Thgáan, und wenn die Mandori bis dahin nicht freiwillig gegangen waren, musste er sie vertreiben. Das war nicht gut, denn es bedeutete Gedächtnislöschung und würde ihn zusätzlich

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