1924 - Intrigen auf Arkon
Bauten.
Ronald Tekener lächelte schwach. Wie fast alle Ankömmlinge ließ auch er sich viel Zeit, das Wunder Mirkandol zu bestaunen. Zum einen mußte den Arkoniden als Gastgebern gebührender Respekt gezollt werden - schnurstracks das eigene Quartier aufzusuchen wäre als Beleidigung empfunden worden.
Zum anderen galt es, allgemein den Eindruck zu erwecken, als habe man viel Zeit mitgebracht, viel Verständnis für andere und deren Kulturen und eigentlich keine besondere Eile, zu irgendwelchen Abschlüssen oder Verträgen zu kommen - und daß man selbst viel Wert auf das „Atmosphärische" legte, was auch immer sich hinter diesem Begriff verbergen mochte.
Ronald Tekener hatte jedenfalls nicht vor, sofort durch unangebrachte, hektische Geschäftigkeit aufzufallen, auch wenn er dem Betrachten von Beeten und Rabatten, gefüllt mit einer entsetzlichen Menge farbenfrohen Grünzeugs, nicht allzuviel abgewinnen konnte. Allerdings konnte der Smiler nicht übersehen, daß sich Dao-Lin-H'ay von diesem Aufwand und der Prachtentfaltung durchaus angetan zeigte.
Bostichs Fachleute hatten sich bei, der Gestaltung der Räumlichkeiten ebenfalls größte Mühe gegeben, die Eigenheiten und unterschiedlichen Geschmäcker der Besucher zu berücksichtigen. Tekener war viel in der Galaxis herumgekommen und hatte viel gesehen.
Im Jahre 1290 NGZ war die Milchstraße in vieler Hinsicht ziemlich konform und eintönig geworden. Das war den Medien und dem durch die Kosmische Hanse sowie zahlreichen großen Springerfamilien organisierten interstellaren Handel zuzuschreiben. Kleidermode, Architektur, Ernährungsgewohnheiten und vieles mehr hatten sich über zahllose Welten verbreitet und allgemein durchgesetzt. Mochten die Zutaten, den unterschiedlichen Metabolismen entsprechend, auch verschieden sein - das Aussehen der Lieblingsmahlzeiten, vor allem bei Jugendlichen, näherte sich galaxisweit immer mehr ah. Ähnliches galt für Musik und viele andere Lebensbereiche, ebenso für die Architektur.
Diesem Modetrend psychologisch geschickt ausweichend, hatte Bostich dafür gesorgt - soweit das technisch möglich war -, für jede einzelne Gesandtschaft ein Botschaftsgebäude errichten zu lassen, das an die jeweilige Kultur und Zivilisation der Gäste erinnerte, an die großen Glanzleistungen der einheimischen Baukunst. Jeder ankommende Gast konnte indem Ensemble von Bauten mühelos jenes Bauwerk ausmachen, in dem er wohnen sollte.
Dabei - äußerst raffiniert und sicherlich extrem schwierig - hatten sich Bostichs Architekten nicht etwa damit begnügt, irgendwelche berühmten Bauwerk zu imitieren und zu kopieren, bei den Terranern etwa das legendäre Tadsch Mahal.
Vielmehr hatten sie sich die Mühe gemacht, etwas zu schaffen, was an das große Vorbild erinnerte, zugleich aber seine eigenen Qualitäten hatte.
„Wirklich raffiniert!" murmelte Tekener.
Nicht nur militärisch waren die alten Arkoniden eine Großmacht gewesen. Ein Volk, das auf Jahrtausende von Herrschaft und Macht über beträchtliche Teile der Galaxis zurückblicken konnte, mußte im Laufe dieser langen Zeit nahezu unfehlbar auch ein ganz besonderes Gespür für den Umgang mit anderen und die Darstellung der eigenen Macht entwickeln. Protzige Arroganz mochte vielleicht in der frühen Expansionsphase angebracht gewesen sein, aber nach einigen Jahrtausenden hatte sie einer gelassenen Selbstsicherheit Platz machen müssen, die nicht minder beeindruckend wirkte.
Was Bostich mit der Gestaltung von Mirkandol zum Ausdruck brachte, war diese schlichte, aber ungemein beeindruckende Botschaft: Seht her, so gut kennen und verstehen wir euch, eure Geschichte, eure Kultur, euren Stolz - und so wissen wir euch zu würdigen!
„Genug gesehen?" erkundigte sich Ronald Tekener bei Dao-Lin-H'ay. „Dann sollten wir damit beginnen, unsere Wohnung auf Arkon zu beziehen und uns dort gemütlich einzurichten."
Dao-Lin-H'ay ließ ein skeptisch klingendes Geräusch hören.
„Glaubst du wirklich", fragte sie spöttisch, „daß das Wort gemütlich in diesem Zusammenhang passen wird?"
„Es wird zumindest danach aussehen", gab Tekener gelassen zurück. Er lächelte freudlos. „Ich habe aber nicht vor, mich von Arkon und seinem Imperator Bostich einlullen zu lassen. Bestich ist Arkonide, aufgewachsen in der jahrtausendealten Tradition des Imperiums. Ganz bestimmt hat er noch ein paar Tricks und Trümpfe in Reserve, mit denen er versuchen wird, uns hereinzulegen."
Dao-Lin-H'ay wiegte den Kopf.
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