1931 - TraumdÀmmerung
kämpfen, dann bin ich dein Feldherr."
„Ich töte doch nicht meinen Vater, um sein Reich seinen Gegnern zu überlassen", sagte Garmor fest.
In diesem Moment wirkte er wie ein Mann, der wußte, was er wollte.
„Dann kannst du auf mich zählen, Garmor", antwortete Slicten schlicht.
Garmor beäugte den Feldherrn mißtrauisch. Er versuchte nicht, ihn mit den Blicken zu durchdringen, er fierte ihn nicht, um ihn zu bannen oder zu hypnotisieren - er beäugte ihn bloß neugierig.
„Wie kommt es, Slicten, daß du so plötzlich die Fahnen wechseln kannst, obwohl du meinen Vater so verehrtest, daß du sein Leben für ihn gegeben hättest?" fragte er dabei. „Ich kenne keinen, der ihm ein treuerer und aufrichtigerer Gefolgsmann gewesen wäre. Und jetzt willst du mich, seinen Mörder, so ohne weiteres als seinen Nachfolger akzeptieren?"
„Ich habe Lovo zu Lebzeiten als Mann und Krieger über alles verehrt", sagte Slicten Tuugara wahrheitsgetreu. „Jetzt diene ich eben keiner Person, sondern dem Reich Kasistan."
„Du hast Mut, mir solche Worte ins Gesicht zu sagen", meinte Garmor Kasistan überlegend. Slirten wußte, daß dieser Moment für ihn über Leben oder seinen Tod entschied. „Du hast doch nicht vor, mich zu täuschen und hinter meinem Rücken meinen Sturz zu planen?"
„Ich hege keinerlei Rachegelüste", erwiderte Slirten Tuugara. „Lovo war zuletzt bereits alt und verbraucht. Vielleicht tut es dem Reich gut, einen neuen Kriegsherrn an der Spitze zu haben. Ich werde mir Lovo als den mächtigsten varmirischen Kriegsherrn aller Zeiten in Erinnerung bewahren."
„Danke, Slirten, für deine Ehrlichkeit", sagte Garmor Kasistan zur Verabschiedung. „Auf gute und erfolgreiche Zusammenarbeit!"
Slirten Tuugara nahm Haltung an und trat dann ab.
„Ach, Slicten,, da ist noch etwas!" rief Garmor ihm nach. „Du weißt, daß es in nächster Zeit viel schmutzige Arbeit zu tun geben wird. Nicht alle meine Untergebenen sind so anpassungsfähig wie du."
„Ich weiß, Tanku."
Es war zum erstenmal, daß Slicten Garmor Kasistan mit dem Ehrentitel eines Kriegsherrn ansprach.
*
In der Tat, es gab viel schmutzige Arbeit zu verrichten.
Während sich Garmor Kasistan in seinem Palast auf der Residenzwelt Kinkart verschanzte, blieb es Slirten überlassen, im Tamijakum aufzuräumen.
Garmor besaß eigentlich vier Brüder, jeder von einer anderen Mutter, und alle waren sie älter als Garmor. Sie hießen Lorkin, Sento, Bussor und Kirken.
Seit Lovo sich nach dem Desaster von Curayo, wo er seine gesamte Flotte verlor, immer mehr zurückgezogen hatte, intrigierten die Brüder, jeder für sich allein, gegen den Vater und beanspruchten seine Nachfolge. Nur Garmor war bei ihm geblieben und hatte ihn scheinbar fürsorglich betreut. Seine Brüder betrachteten Garmor, den vermeintlichen Weichling, nicht als Konkurrenten.
Lorkin lebte nicht mehr, er war bei einem Attentatsversuch auf seinen Vater ums Leben gekommen.
Sento war wegen Hochverrats angeklagt worden, und Slicten Tuugara hatte dem Tribunal angehört, das sein Todesurteil ausgesprochen hatte. Es war noch nicht vollstreckt, Sento saß derzeit in der Todeszelle. Es war Slirtens erste Amtshandlung als Garmors Vollstrecker, das Todesurteil an Sento zu vollziehen: Blieben noch Bussor und Kirken. Die beiden hatten sich rechtzeitig nach Garmors Amtsantritt absetzen können und waren in den Untergrund gegangen. Sie hatten viele Anhänger um sich geschart, in deren Augen sie als ältere Söhne Lovos dessen rechtmäßige Erbfolger waren. Das machte sie gefährlich. Und beide wurden um so gefährlicher, da sie sich gegen Garmor verbündet hatten.
Es war darum Slirtens erste Arbeit, gegen diese Untergrundbewegung vorzugehen. Er kannte die meisten der Sympathisanten des Brüderpaares, so daß es anfangs nicht schwerfiel, Garmors Feinde unschädlich zu machen.
Darunter waren viele, die Slirten aus besseren Zeiten kannte. Kampfgefährten, mit denen er Seite an Seite viele Schlachten gewonnen hatte, die sich jedoch von dem vergreisenden Lovo immer mehr abgewandt und der Jugend den Vorzug gegeben hatten. Freunde, mit denen Slicten über den Kampf hinaus zwischenmenschliche Beziehungen gepflegt hatte und deren Familien den Einzelgänger wie einen Blutsverwandten aufgenommen hatten. Auch Diplomaten gehörten dazu, die Slirten wegen ihrer klugen Politik geachtet hatte und die ihm dieselbe Achtung entgegengebracht hatten; manche aus ehrlicher Anerkennung vor seinen Fähigkeiten,
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