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1935 - Der Gesang der Stille

Titel: 1935 - Der Gesang der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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rasch."
    „Gibt es einem Ruhe? Nicht vom Tod gehetzt zu werden?"
    „Na ja, es gibt andere Dinge, die einen hetzen..." Bull dachte nach. „Ruhe. Man wird ruhiger, das stimmt.
    Aber die Ruhe kommt daher, daß man die Zeit vergißt. Man lebt einfach immer den Tag, der gerade angebrochen ist.
    Im Prinzip könnte jeder so leben, egal ob er unsterblich ist oder nicht."
    „Aber sind nicht viele neidisch?"
    „Bist du neidisch?"
    Skill mußte lachen. „Ich überlege es mir gerade."
    „Überleg's dir gut. Für Freundschaften ist die Unsterblichkeit ein harter Prüfstein. Es gibt wenig Menschen, die einen wirklich so akzeptieren können." Der Blick des Unsterblichen ging in die Ferne, durchdrang Erinnerungen, die einen Zeitraum umfaßten, den Skill sich nicht einmal annähernd vorstellen konnte. „Es hat viele gegeben, die den Kontakt abgebrochen haben, als sie selbst alt wurden. Das muß man akzeptieren lernen, auch wenn dadurch die Zeit noch kürzer wird, die man einander hat."
    Skill zögerte. „Sprichst du dabei hauptsächlich von Frauen?"
    „Du meinst, weil ich nie verheiratet war." Bull seufzte. „Nein. Das ist eine andere Geschichte. Gefährtinnen für einen gewissen Zeitabschnitt gab's in meinem Leben genug. Aber...Ich finde, keine Frau sollte es sich antun, einen Mann zu heiraten, der nicht altert."
    „Perry Rhodan war mehrmals verheiratet."
    Der Mann, der als Rhodans bester Freund galt, nickte grimmig. „Ich enthalte mich einer Meinungsäußerung darüber, ob das immer so gut war für alle Beteiligten."
    Ihr Zug hielt plötzlich an. Sie schauten hoch. Von der Seite kam ein kurzer, aus nur drei Containern bestehender Zug herangefahren, wechselte auf das benachbarte Gleis und hielt unmittelbar neben ihnen an. Unter ihnen zischte und rumpelte es, dann löste sich der Waggon, auf dessen Dach sie saßen, samt den dahinter liegenden Wagen vom Vorderteil des Zuges und fuhr ein Stück rückwärts. Die drei Container schoben sich, mit einem hellen, singenden Ton elegant das Gleis wechselnd, von der Seite dazwischen. Dann koppelten die drei Teile wieder zusammen, und die Fahrt ging weiter.
    Skill sah sich um. All das war passiert, ohne daß sie auch nur einen einzigen Korrago zu Gesicht bekommen hätten.
    Aber er wußte, daß sie da waren. Er hätte nicht sagen können, woher, aber er wußte, daß sie im Inneren all dieser klobigen Gebäude waren, auf der anderen Seite der düsteren Metallwände, die sich rechts und links der Schienenschlucht erhoben. „Ich würde mich wahrscheinlich immer fragen", meinte Skill nachdenklich, „warum ausgerechnet ich einen Zellaktivator trage. Wodurch das gerechtfertigt wäre."
    Bull sah ihn von der Seite her aufmerksam an. „Fragst du dich auch, warum ausgerechnet du an Dagöer erkrankt bist?
    Wodurch das gerechtfertigt sein soll?"
    „Nein", gab Skill überrascht zu. „Das ist Schicksal, denke ich."
    „Es ist gut, das so zu sehen." Bull nickte. „Sonst wird man nämlich verrückt. Und was die Unsterblichkeit anbelangt, ist es nicht anders. Darum sage ich immer, es ist eine Gnade. Das trifft es am besten."
    „Aber ist es eine Gnade?" fragte Skill. „Macht es dich nicht den Menschen um dich herum fremd?"
    „Hör mal ich habe das Solare Imperium ewige Zeiten lang regiert. Und es gab viele gute Zeiten Zeiten, die so friedlich waren, daß sogar ich, der stellvertretende Großadministrator, mich ganz allein in ganz gewöhnliche Kneipen setzen, mit den Leuten dort ein Bier oder einen Vurguzz trinken und mir von ihnen die Meinung sagen lassen konnte.
    Klingt das nach Entfremdung?"
    Irgend etwas ließ jäh das Gesicht Varnas in Skills Erinnerung auftauchen, den Schimmer ihrer goldbraunen Haut und die Tränen in ihren dunklen Augen, als sie ihm sagte, daß sie den Gedanken nicht ertragen könne, von einem Syntronverbund geliebt zu werden. Diese Erinnerung war noch nicht verlorengegangen. Er dachte an seine Eltern, die sich auch immer seltener meldeten, ihn nur noch mit spürbarem Widerwillen zu Familienfesten einluden und froh waren, wenn er nicht kam. „Aber was hast du denn mit diesen Menschen gemeinsam?" Was habe ich denn mit diesen Menschen gemeinsam? „Normale Menschen wachsen auf, erlernen einen Beruf, gründen eine Familie. Im Alter halten sie Rückschau auf ihr Leben, und im Tod lassen sie alles wieder los. Das normale Leben ist ein Zyklus. Bist du aus alldem nicht völlig herausgehoben dadurch, daß du nicht alterst?"
     
    *
     
    Dieser junge Mann, das mußte sich

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