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1935 - Der Gesang der Stille

Titel: 1935 - Der Gesang der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Unsichtbaren hören.
    Aus diesem Grund wollte Bull, daß sie einen gebührenden Abstand zu dem Korrago einhielten und sich ansonsten möglichst nicht rührten. Skill sah, daß Bull durch den offenen Mund einatmete, und erinnerte sich daran, daß man ihnen an der Akademie genau das beigebracht hatte für Fälle wie diesen.
    So beobachteten sie mit offenen Mündern das massige Wesen, das aussah wie sein eigener Schatten. Es ging vor dem offenen Schacht in die Knie, nahm das heraushängende Kabel in seine kleinen Hände und untersuchte es eingehend.
    Es entdeckte die Verletzung der Hülle, kam aber offenbar zu dem Schluß, daß dieser Schaden ohne Belang war was tatsächlich zutraf ,und begann, das Kabel zurück in den Schacht zu stopfen. Den Verschluß wieder einzusetzen war Aufgabe der großen Hände und im Nu erledigt.
    Danach sah sich der Korrago mit langsamen, beinahe würdevollen Blicken noch einmal im Raum um und ging wieder so ruhig, wie er gekommen war.
    Skill Morgenstern spürte sein Herz heftig schlagen. Kaum zu glauben, daß das nicht bis hinaus auf den Gang zu hören sein sollte. Die Unruhe des Körpers. Rasende Herzen, jubelnde Herzen, gebrochene Herzen. Er war beinahe neidisch auf den maschinenhaften Gleichmut, den der Korrago ausgestrahlt hatte. Seine Stille, die ihn durch und durch erfüllte. „Es bringt nichts, wenn wir uns weiter hier aufhalten", meinte Bull leise. „Wir krabbeln nur sinnlos herum wie Ameisen. So erfahren wir nichts. Wir müssen ins Zentrum der Anlage."
    Skills Blick wanderte immer noch zwischen der Tür und dem Kabelschacht hin und her. „Hast du das gesehen?" fragte er fasziniert. „Er hat mitbekommen, daß hier ein Stück der Wandverkleidung geöffnet worden ist, und ist gekommen, um es zu reparieren. Einfach so. Er hat nicht danach gefragt, wie das passieren konnte, er hat es einfach nur repariert."
    „Ja", knurrte Bull. „Und jetzt steht er wahrscheinlich wieder hundert Jahre im Keller, bis die nächste Glühbirne ausfällt."
    „Was ist eine Glühbirne?" fragte Skill irritiert.
    Der alte Terraner winkte ab. „Vergiß es."
    Skill kam zu Bewußtsein, was Bull zuvor gesagt hatte. Daß sie ins Zentrum der Anlage vordringen müßten. „Wir können unmöglich zwanzig Kilometer mit den Flugaggregaten zurücklegen", gab er zu bedenken. „Nicht, nachdem wir wissen, daß die Korrago keineswegs ausgestorben sind."
    „Keine Sorge", sagte Reginald Bull. „Wir nehmen den Zug."
     
    5.
     
    Die Schienenstrecke tat sich vor ihnen auf wie ein Abgrund, eine fünfhundert Meter breite Schlucht, deren andere Seite von düsteren, verschachtelten Gebäuden gebildet wurde, ebenso wie die Seite, auf der sie standen. Bull zählte fünfundzwanzig Schienenstränge, die parallel zueinander verliefen, unverwandt auf das Zentrum des Stützpunkts ausgerichtet.
    Lange Ketten klobiger, grauer, gesichtsloser Kolosse wälzten sich in behäbigem Tempo den glitzernden Hohlweg entlang, bogen ab und zu in schmale Quergassen ein, die senkrecht oder schräg in den Industrieanlagen verschwanden, oder wechselten einfach nur die Spur. All dem lag unverkennbar eine geschäftige, zielstrebige Ordnung zugrunde, auch wenn von außen nicht zu erkennen war, welche.
    Sie standen auf einer Art schmalem Balkon. Von hier aus konnte man sehen, daß die vielfach miteinander verwobenen und verflochtenen Schienenstränge noch längst nicht den Grund der Anlage markierten. Vielmehr waren sie auf einem stählernen Gitterwerk errichtet, unter dem es in unabsehbare Tiefen weiterging. Bull spürte ein Frösteln. Was ging hier vor?
    Ein Zug kam rumpelnd um die Ecke gebogen und reihte sich auf der zweiten Spur von außen ein. Das sah aus wie die Mitfahrgelegenheit, auf die sie gewartet hatten. „Los!" sagte Bull, und mit einem sekundenlangen Impulsstoß ihrer Fluggeräte setzten sie auf das Dach des vorletzten Waggons über. Die Fahrt begann. Am Ende der Schienenschlucht, verheißungsvoll leuchtend, wartete der Herzdom.
    Der Waggon eigentlich eher ein beweglicher Container war an die vierzig Meter breit und doppelt so lang, er bestand aus einem grauen und stumpfen Metall, das aussah wie simples Gußeisen. Es war nicht zu erkennen, wie die einzelnen Waggons miteinander verbunden waren oder wie sie angetrieben wurden, aber all das interessierte Bull im Augenblick auch nicht besonders.
    Er setzte sich auf das verhalten vibrierende Dach und zog einen Konzentratriegel hervor. Sie würden mindestens eine halbe Stunde brauchen, bis sie

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