194 - Die Hölle der Erkenntnis
Kosmos, mit dem er, Grao’sil’aana, nichts zu tun hatte.
Durch sein Zucken, Strampeln und Aufbäumen befreite der Gefangene sich von seinen Decken. Er setzte sich auf, verzerrte die Lippen, malte mit dem Unterkiefer hin und her. Fast schien es, als wollte er in Grao’sil’aanas Echsengesicht die Stelle ausspähen, in die er gleich seine Zähne schlagen würde – doch Daagson sah gar nichts, denn seine zuckenden Augäpfel waren derart verdreht, dass der Daa’mure nur das Weiße darin erkennen konnte.
Beiläufig registrierte Grao’sil’aana, dass sein Gefangener sich wohl in einer Art Trancezustand befand. Sein Unterkiefer bebte, seine Lippen verzerrten sich zu grotesken Linien. Und wieder ging es wie ein Krampf durch seinen nassen Körper – er kippte nach links und fiel vom Rücken des Rochens in den Sand. Dort warf er sich von einer Seite auf die andere, bis er auf dem Bauch zu liegen kam. Auf Knien und Händen kroch er schließlich ins Wasser, wand sich hin und her, und sich windend richtete er sich auf. Mit den Armen um sich schlagend und die Beine wie in einem Veitstanz mal zur Seite, mal nach vorn werfend, stolperte er durch das seichte Wasser dem Wandler entgegen.
Die Ausstrahlung der mächtigen Aura ebbte ein wenig ab, nichts erinnerte plötzlich mehr an Gelächter. Endlich gewann Grao’sil’aana die Kontrolle über sich selbst zurück. Er sah eine zuckende Gestalt durch das Wasser stapfen und begriff, dass es sein Gefangener war.
Sofort ließ er sich vom Rücken des Rochens auf dessen Schwingen gleiten und rutschte über die nasse glitschige Haut in den vom Regen schlammigen Sand. Seine Glieder waren schwer, und er fühlte sich unendlich erschöpft. Das Raunen und Pulsieren der übermächtigen Fremdaura war allgegenwärtig, doch es schnitt ihn nicht mehr von seiner Umgebung ab.
Sein Gefangener rannte los, schlug lang hin, sprang unter unglaublichen Verrenkungen wieder auf und rannte weiter.
Vom Wandler aus schwammen und wateten ihm Dutzende von Daa’muren entgegen. Auch sie kamen Grao’sil’aana seltsam schwerfällig und müde vor in ihren Bewegungen. Er schleppte sich ins Wasser und lief los, um den Primärrassenvertreter einzuholen.
Der Platzregen war in ein leichtes Nieseln übergegangen, deutlich sah Grao’sil’aana jetzt das mächtige Massiv des Wandlers aufragen. Fünf- oder sechshundert Meter entfernt erkannte er die hünenhafte Gestalt des Sol in der zerklüfteten Steilwand. Viele andere Daa’muren waren bei ihm und stiegen nach ihm in die Steinsprossen, die von der Verteilerplattform herab zum Seegrund führte. Grao’sil’aana versuchte ihre Auren zu berühren, während er mit schweren Beinen durch das Wasser watete. Es gelang ihm nicht, zu tief war die allgegenwärtige mentale Erschütterung. So tief und so stark, dass ihm sogar der mentale Kontakt zum Sol misslang.
Woher stammte diese Sturmflut fremder Empfindungsströme? Grao’sil’aana sah, wie sein Gefangener sich immer weiter von ihm entfernte; er selbst schaffte es kaum, seinen Schritt zu beschleunigen. Drang die unwiderstehliche Aura etwa aus dem Inneren des Wandlers?
Schwer und schlaff erschien ihm sein Wirtskörper plötzlich.
Er sehnte sich danach, ihn verlassen und zurück in seinen Speicherkristall springen zu können. Nur weg hier, fort aus dem Kraftfeld dieser mächtigen Energiewellen. Schritt für Schritt schleppte er sich voran. Warum nur kam sein zuckender und ständig stolpernder Gefangener so viel schneller voran?
Nicht weit von ihm breiteten Daa’murenspäher ihre Schwingen aus, sanken ins Wasser und blieben erschöpft liegen. Grao’sil’aana watete, bis das Wasser ihm bis zur Hüfte reichte. Dann ließ er sich fallen und schwamm und tauchte.
Dabei spähte er unentwegt zu seinem Gefangenen. Der Primärrassenvertreter verrenkte die Glieder, schlug immer wieder lang im Wasser hin, richtete sich aber genauso regelmäßig wieder auf und stolperte und torkelte weiter, dem Wandler entgegen.
Auf einmal begriff Grao’sil’aana: Die mächtige Eruption jener unbekannten Aura, seine eigene Erschöpfung und die seltsam schleppenden Bewegungen seiner Artgenossen hatten mit seinem Gefangenen zu tun!
War denn dieser Primärrassenvertreter eine Art Avatar ( körperliche Manifestation eines Gottes in Menschen- oder Tiergestalt, künstliche Person oder Stellvertreter in einer virtuellen Realität ) der feindlichen Macht, die fern im Zentrum des kleinen Kontinents unter jenem mächtigen Fels lebte? Hatte er
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