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1948 - Roman

1948 - Roman

Titel: 1948 - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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und einsichtiger und älter war als ich, in der Todesliste über mir rangieren, musste er in den Tod springen, vor meinen Augen sterben, niedergemetzelt werden, nur damit ich, Mamas Liebling, am Leben bliebe? Was für ein Leben kann man nach dieser ganzen Geschichte noch führen?
    Wenn wir letzten Endes siegten und der Staat Benny Marshaks und Ben Gurions und der Palmach-Unterhaltungstruppe Wirklichkeit wurde, würden ihn doch all die bevölkern, die nicht freiwillig eingerückt waren, nicht für seine Entstehung gekämpft hatten. Sie wären dann das Salz des Landes, der Zucker des Landes, die Sahnebonbons des Landes, die Süßen des Landes, der Feigenkaktus, der sich in herbe Schokolade Marke Lieber verwandelte. Was für Blumen aus Erez Israel würden wir werden, wir Unreinen, die es nicht verkrafteten, dass jemand Größeres für sie gestorben war. Wie sollte ich leben bei all dem Blut, das für mich vergossen wurde, damit ich nicht sterben sollte, dachte ich, als ich so dasaß. Oder vielleicht war das etwas später, als ich schon verwundet war und mich in der Pension Bickel erholte, im belagerten, geschlagenen, kranken, hungernden und durstenden Jerusalem.
    Damals konnte ich noch denken, dass ohne Nachum Arieli und seine Kameraden kein Staat entstehen würde, dass mit ihnen die Truppe zerstört war, die nach uns hätte kämpfen sollen. Und jetzt, da ich dies schreibe, als alter Mann von schlechter Gesundheit, denke ich, dass das»mir nach« großartig und edel, aber irrig gewesen ist. Man hätte das »mir nach« auf der Anhöhe von Kastel nicht zum Mythos erheben dürfen. Die Besten sind immer mehr wert. Sie hätten das leisten können, was ich nicht bringen kann. Nachum Arieli wäre Generalstabschef oder Verteidigungsminister geworden, und ich bin ein Außenseiter geblieben, sitze abgeschieden in meinem Haus und schreibe nieder, was ich nicht war und nicht sein werde, vergleiche mein Leben mit dem von Nachum Arieli und von Schimon Alfassi, dem Heldenhaften, der den furchtbaren Satz schmiedete: Die Soldaten zurück. Die Anführer decken den Rückzug!, und der starb. Sie alle sind gestorben, bis zum letzten Mann.
    Ich bin am Leben geblieben. Man hat auf mich geschossen. Danebengetroffen. Auch mal nicht daneben. Aber mein Leben ist nichts als die Banalität »eines Ysops, der aus der Mauer wächst«, wie es in der Bibel heißt. »Mir nach« war der schlimmste und edelste Fehler in jenem grauenhaften Krieg, der sich heute schwer erklären lässt: Was es heißt, einen Krieg ohne Panzer und Flugzeuge zu führen, nur mit ein paar kleinen, fliegenden Rumpelkisten am Himmel, ohne Waffen, ohne Verpflegung, ohne Wasser, ohne Geschütze, ohne Kleidung zum Wechseln, ohne alles. Jerusalem belagert, ausgehungert, ständig schlagen Granaten ein, Menschen sterben beim Anstehen nach Wasser und Petroleum. Wie soll man jungen Soldaten, die in anderen Kriegen mit moderner Ausrüstung und gutem Training sterben werden, heute erklären, was der Geist der Palmach gewesen ist? Was der Geist des Menschen ist. Was eine Vision, was ein Traum ist. Wovon träumt man? Ich weiß es nicht. Vielleicht war alles vergebens.
    Als ich halb tot aus dem Krieg zurückgekehrt war unddas Land sich mit Holocaustüberlebenden füllte, die von unseren Spaßvögeln als Sabonim – Seifen – bezeichnet wurden, aber tausendmal stärker waren als wir, begriff ich, dass es sich doch gelohnt hatte. Aber auch dann: Wie erklärt man einem Jungen an Bord der »Van York«, einem Jungen, der als Zwölfjähriger in Auschwitz Brillanten in den Aftern seiner toten Eltern gesucht hat, um sie an SS-Leute zu verkaufen, wie erklärt man dem, was in Kastel passiert ist? Kastel war doch eine nette Kindergeschichte im Vergleich zu dem, was der Junge mir in knappen Worten erzählte, ehe er dann sechzig Jahre lang darüber schwieg.
    Viele Jahre später ging ich eines Tages arglos auf der Allenby-Straße, vorbei am ehemaligen Allenby-Kino, als unvermittelt ein grauhaariger, gertenschlanker Mann vor mir stehenblieb, an der Hand ein kleines Mädchen, vielleicht seine Enkelin – so hübsch und zart, etwas erschrocken vor dem fremden Mann, der ich mitten auf der belebten Straße für sie war –, und hinter ihm seine Frau. Er starrte mich fragend an, und ich war mir sicher, dass ich ihn kannte, aber woher? Du bist Yoram, sagte er. Ja, bestätigte ich. Und er sagte, erkennst du mich nicht?, und fing an zu lachen, und ich lachte mit und entsann mich auf einmal, seine Augen waren mir in

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