1948 - Roman
und sichtlich wusste, wer der Mann war und was er zu tun hatte. Er untersuchte ihn und befand, der ist tot! Aber es gibt keine Anzeichen von Gewalt, wandte ich ein. Er suchte stumm die Kleidung des Mannes ab, ich suchte mit, aber der Tote hatte keinen Ausweis dabei. Der Offizier besah sich seinen Unterleib und entdeckte, dass seine Geschlechtsteile zerquetscht waren. Er blickte sich nach allen Seiten um und sagte, wir sollten uns nicht von der Stelle rühren. Dann ging er. Wir warteten. Ari-Name-geändert und ich saßen da und rauchten. Es war kalt. Nach etwa einer Stunde kam der Offizier zurück, der nun plötzlich einen Namen hatte: Kotti. Kotti wer? Das ist unwichtig, Freund. Ich bin nicht dein Freund. Du bist ein frecher Junge.
Ein Jeep mit Polizisten kam aus Hadera. Sie untersuchten den Mann, tasteten seinen Kopf ab. Auch ein Arzt war dabei. Sie suchten etwas. Sahen besorgt aus. Sie holtenGrabschaufeln aus dem Jeep, und wir mussten an einer Stelle, wo die Erde unter einer Sandnarbe weich war, zu viert eine tiefe Grube ausheben und begruben den Mann samt dem Kopf im Korb. Kotti ließ uns schwören, dass wir nichts gesehen hätten.
Zwei Tage später erfuhren wir, dass Kotti verwundet war und dass man nicht wusste, in welchem Krankenhaus er lag. Die Namen der Polizisten, die ihn begleitet hatten, kannten wir nicht. Wir fragten nach, wurden zurückgefragt, was wir mit Kotti zu tun hätten und was wir wollten, und da begriffen wir, dass wir lieber schweigen sollten.
Ari-Name-geändert ging zu der jungen Kibbuz-Genossin, die ihn vielleicht wirklich liebte. Er behauptete ja immer, die Mädels würden sich ihm liebend gern hingeben. Er unterhielt sich mit ihr und erfuhr dabei, dass es ein Geheimnis gab. Er erfand eine Geschichte, dass Kotti vielleicht überhaupt ein Verräter war und wohl kaum zurückkehren würde und dass keiner wisse, wen sie da begraben hatten und wessen Kopf es gewesen war.
Eines Tages hieß es, die Ehefrau eines altgedienten Palmach-Manns würde kommen, um einen Vortrag über den Schriftsteller Josef Chaim Brenner zu halten, dessen Ausspruch »Glücklich ist, wer im Geiste von Tel Chai stirbt« in tiefschwarzen Lettern auf einem Holzschild am Eingang unserer Baracke stand. Die Gruppe Maschpech und auch die Frau von der Lechi, die mal derb und mal sanft war, sagten, diese Referentin habe einen Sohn verloren, und den Vortrag hätten sie schon mehrmals gehört. Daher wüssten sie, dass sie mit Begeisterung über Brenner rede, geradezu in Hysterie geriete und sich dabei den Rock überm Po glattstreiche. Ja, sechsmal, bestätigte einer. Die Lechi-Frau wurde plötzlich gesprächig und erklärte, die Referentin würde das Kleid achtmal glattstreichen. Jossi, ein andereraus der Gruppe, der aus Givatajim stammte und alle Welt aus dem Café Tslil der Sängerin Yaffa Yarkoni kannte, deren Mann ein legendärer Hagana-Offizier war, sagte, ein Freund aus Ramat Gan habe behauptet, sie würde deshalb mit großer, an Hysterie grenzender Begeisterung vortragen, weil der tote Brenner ihr Geliebter gewesen sei, oder so hieße es zumindest, und wenn sie referiere, würde sie ihr Kleid mindestens zehnmal überm Po glattstreichen, das habe er selbst miterlebt.
Alle fingen an rumzuschreien, wie oft sie das Kleid glattstreiche, und schließlich kam man überein, eine Wette abzuschließen, und zwar landesweit. Jemand beredete den Hagana-Kommandeur des Kibbuz, ihm das Walkie-Talkie für ein paar Stunden auszuleihen, und dann rief er alle möglichen Ortschaften und Kibbuzim an. Der Lehrgang erschien geschlossen zum Vortrag. Die Frau staunte über die große Zahl derer, die ihr aus freien Stücken lauschen wollten, denn bisher hatte sie meist nur vor wenigen, geschlossenen Augen geredet. Sie sprach gefühlvoll über Brenner und seine mit ihm ermordeten Gefährten und strich mit der Linken das Kleid überm Po glatt (ich hörte ihr vermutlich als Einziger zu, alle anderen waren vollauf mit Zählen beschäftigt). Sie erregte sich, schrie schon beinah, war bald rotverweint über den Tod jenes großartigen Mannes, und ringsum hörte ich aufgeregtes Flüstern: eins, zwei, drei … Sie strich ihr Kleid elfmal glatt, und aus dem Funkgerät hörte man Zahlen aus den Kibbuzim Ramat Rachel, En Harod, Hanita, unterdrückte Schreie drangen aus dem Walkie-Talkie, und es war eine Riesenaufregung.
Die Vorgesetzten, die wegen des Frauenmangels in unsere Ausbilderinnen verliebt waren, nutzten die Zeit des Vortrags, um in den feuchten
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