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1948 - Roman

1948 - Roman

Titel: 1948 - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Dünen zu vögeln, undbekamen nichts mit von der großen Wette. Wieder regnete es in Strömen, aber das kümmerte keinen. Ari-Name-geändert strich natürlich am meisten ein.
    Ein paar Tage später trat Benny Marshak abends auf und hielt uns einen einstündigen Vortrag über die Lage der Nation und über den Krieg, sagte, wir hätten keine Waffen, würden aber kämpfen, würden mit Händen, Zähnen, Fäusten, Füßen, Bauch und Rücken den harten Feind schlagen und das Land Israel erobern, wir würden siegen, und alle waren müde und pennten ein, aber Benny war kurzsichtig und sah nicht, dass er sich nur vor mir und zwei Neueinwanderern ereiferte, die seine Stimmgewalt bewunderten und auch den Glauben, der ihm aus Augen und Mund sprühte. Sobald die anderen aufwachten, flüchteten sie in die Dünen.
    Am Ende kam Benny zu mir und sagte, ich sei ein kultivierter Mensch, und bat mich, am Freitagabend eine Party zu organisieren. Ich wusste nicht, was tun. Kerzen mit Furzen auszublasen fand ich blöd, und Benny erlaubte es auch nicht. Einer von der Gruppe Maschpech hatte mich jammern hören, was man denn für die Kultur tun könne, und bestellte zusammen mit Jossi vom Club Tslil in Givatajim zwei Nutten aus Berales Puff in der Tel Aviver Schlusch-Straße auf den Stützpunkt. Die beiden Damen freuten sich, mal jüdische Soldaten vor sich zu haben, und Benny verteilte sie auf die Kameraden. Ari-Name-geändert wurde mit den Nutten handelseinig und sahnte einen Grusch pro Fick für sich ab, war mir aber was schuldig, weil ich ihn nicht verpfiff. Hinterher saßen alle auf Kisten oder rumliegenden Bootswrackteilen, und jemand organisierte ein Klavier, woher, weiß ich nicht mehr. Es war verstimmt und sah ziemlich klapprig aus, aber es war, o Wunder, ein echtes Klavier.
    Die Gruppe Maschpech hatte auch Yaffa Yarkoni aus Givatajim beigeholt. Sie hieß damals noch Yaffa Gustin, und die, die sich auskannten, sagten, ihr Mädchenname sei Abramov gewesen und sie habe bei Gertrud Kraus getanzt. Yaffa setzte sich schön und sexy aufs Klavier, kerzengerade, schlug die Beine übereinander und sang, der Krieg sei ein Traum, in Blut und Tränen getränkt, und Elischeva erwarte sie morgen um scheva (sieben). Benny Marshak kam wütend angelaufen, weil Yaffa Yarkoni so dasaß, und dann erinnerte er sich an mich und sagte, komm her, wo steckst du denn, du da, der Schlonski ein Gedicht geschickt hat, denn Chaim Hefer hatte es natürlich ausgeplaudert, und Benny meinte, wie es denn mal mit einem richtigen Kulturabend statt diesem Dreck hier wäre, wo ich doch beinah die Oberschule abgeschlossen hätte.
    Der nächste Freitagabend kam, und alle versammelten sich. Schabbatabend in den Dünen, sagte jemand, und der Befehlsführer setzte sich dazu, musterte alle streng und sagte, sie müssten zuhören. Ich redete, als wüsste ich tatsächlich was. Sprach über Bialik, Schlonski und Tschernichowski. Die andern stellten sich hellwach, schliefen aber mit offenen Augen, und ich redete hingerissen und begeistert über Gedichte, deklamierte Bialiks »Birg mich unter deinen Schwingen«, das meine Mutter mir als Kind vorgesungen hatte, und dann schlief ich mitten in meiner Rede im Sitzen ein. Als ich aufwachte, war kein Mensch mehr da. Nur der Regen prasselte aufs Blechdach.
    Chaim, den wir wegen seiner beachtlichen Körperlänge Chaim-Einhalb nannten, kam herein, um zu melden, dass die Frau von der Lechi verschwunden war. Ein Offizier, den wir nicht kannten, traf ein und stellte Fragen, und als wir uns nach ihr erkundigten, wirkte er plötzlich müde und traurig und sagte, sie würde nicht mehr zurückkehren.Eine Stunde später trat Seevik aus dem Zelt der Gruppe Maschpech. Er war der Gruppenführer, ein langer Kerl mit harten schwarzen Augen, ewig zorniger Miene, kastanienbraunem Haar und mit Muskeln, die er wie ein Jo-Jo springen lassen konnte. Er blieb vor dem kleinen Zelt der Frau von der Lechi stehen, nahm Haltung an und sah tiefbekümmert aus. Alle traten näher, umringten ihn, auch ich. Es war beinah ein heiliger Moment, und der Mann flößte Angst ein. Er stand unverwandt stramm. Nach einer Weile wurden die Kumpels müde und gingen schlafen. Die von der Maschpech schliefen nicht wie wir in Wellblechhütten, sondern in einem großen Zelt. Ich blieb bei ihm stehen. Er rührte sich die ganze Nacht nicht vom Fleck. Fixierte das leere Zelt, ließ kein Auge davon, und die ganze Zeit stand er stramm im Gedenken an die Frau, von der es schon hieß, sie sei

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