1948 - Roman
über mich, die sonst keiner kannte, aber sooft ich ihn auch um ein Treffen bat – er kam nicht. In den siebziger Jahren fuhr ich einmal nach Los Angeles, um an einem Drehbuch zu arbeiten. Am Flughafen hatte der Produzent einen Zettel am Mietwagen hinterlassen, ich solle zum Intercontinental Hotel in Westwood am Wilshire Boulevard fahren. Der Regisseur, mit dem ich zusammenarbeiten sollte, wusste nicht genau, wann ich eintreffen würde und in welches Hotel man mich schicken wollte. Ich sollte ihn am Morgen anrufen. Ich kam in dem Riesenhotel an. Die ersten fünf Stockwerke waren ein Parkhaus. Ich wartete an der Rezeption, um mich anzumelden, sagte mir dann aber, ich bin doch nicht nach Los Angeles gereist, um in einem Betonkasten zu wohnen. Neben dem Hotel sah ich ein süßes Motel wie im Film, rosa und palmenumstanden. Ich bekam ein Zimmer und setzte mich, müde vom Flug, aufs Bett. Plötzlich klingelte das Telefon, und ich nahm den Hörer ab. Kein Mensch auf der ganzen Welt wusste noch, wo ich steckte, aber der britische Offizier war dran.
Er wünschte mir einen schönen Aufenthalt und sagte, in meinem Zimmer habe die Tochter der Schauspielerin Lana Turner, die nur achtmal verheiratet gewesen war, vor vielen Jahren den Geliebten ihrer Mutter, Johnny Stompanato, umgebracht, aber vor Gericht sei sie freigesprochen worden. Es kam mir komisch vor, mich in diesem Zimmer aufzuhalten, während unten im Pool junge Schauspielerinnen schwammen, die nach Hollywood gekommen waren, um entdeckt zu werden.
Bei unserem letzten Gespräch rang er schon mit dem Tod, hörte sich halb tot an und wollte mir verraten, wer er war, brachte es aber nicht fertig, und eine Frau, vielleicht seine Ehefrau, rief mit erstickter Stimme, nun sag’s ihm doch endlich, aber er sagte es nicht, und seither habe ich nichts mehr von ihm gehört. Sein Andenken sei gesegnet.
Es gibt noch eine andere Version. Ein Mann, den ich vor einiger Zeit traf, sagte mir, er erinnere sich, dass wir bei der Eroberung des Zionsbergs Seite an Seite gekämpft hätten und gemeinsam den Hang hochgerannt seien. Er wusste Dinge über mich, die ich selbst nicht mehr wusste, und erzählte mir, ich sei dort verwundet worden, als die Soldaten der Rede des Befehlshabers vor dem Sturm auf die Altstadt lauschten. Er erinnerte sich nicht, wer der Redner gewesen war, vielleicht Usi Narkis oder Raanana oder Dado, jedenfalls habe der Betreffende – ich bin sicher, es war Dado – in dieser dramatischen Rede gesagt, nach 1800 Jahren würden wir nun die Altstadt betreten, würden die Mauer überwinden und zum Tempelberg vorstoßen. Er sagte, ich hätte mit Schmerzen dagelegen, als wir von der Stadtmauer aus beschossen wurden, hätte mit der Einheit vorpreschen wollen, mich aber nicht regen können, und die Kumpels hätten sich hingelegt und nichtweiterkämpfen wollen, aber den Befehl erhalten. Und schließlich erinnerte er sich, dass Dado oder Usi Narkis Freiwillige gesucht und auch gefunden hatte, die nach hartem Kampf das Zionstor sprengten. Und die Verwundeten seien unterdessen mit mir etwa zum Kloster verbracht worden, sagte der Mann, der Panzerwagenfahrer gewesen war, und ein Sanitäter habe mich verbinden wollen, aber ich hätte ihn nicht rangelassen, und der Sanitäter habe berichtet, dass ich sterben wollte, weil ich den Berg nicht erobert hatte.
Ich weiß noch, dass sie mich zum italienischen Kloster brachten. Erinnere mich, dass sie mich auf ein weißes Leintuch betteten, das erste weiße Leintuch nach vier Monaten. Eine ältere Schwester mit traurigen Augen gab mir ein halbes Glas Wasser, und man stillte meine Blutung und gab mir eine Spritze gegen die Schmerzen. Ich lag im Bett, und die Zimmerdecke war sehr hoch, bemalt mit Engeln, so blass, dass sie kaum noch zu sehen waren. Eine Nonne rannte los, um Verbandszeug für mich zu holen, auch die Wunde am Arm tat weh, aber das Bein war glühendheiß und geschwollen und schmerzte. Ich sah an die Decke, sie war so schön, und es tat richtig gut, nach all der Zeit auf einem Leintuch im Bett zu liegen, mit Wänden, mit Zimmerdecke, mit Fußboden, mit Medikamentengeruch, aber dann gab es eine Explosion, und die Decke über uns stürzte ein, und Krankenschwestern und Nonnen, die als Schwestern dienten, kamen angerannt und brachten uns in den tristen, grauen Klosterkeller. Dort lagen Dutzende Verwundete, einige stöhnten, andere weinten, ein paar Jungs waren anscheinend beim Transport gestorben. Ich hatte wohl stark erhöhte
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