196 - Das Schwert des Druiden
vergaßen, und schickte sie nach Hause.
Auch für uns war es Zeit, heimzufahren. Wir hofften, etwas über Lance Selbys Verbleib zu erfahren, doch weder Vicky noch Roxane konnten uns darüber Auskunft geben.
Unser Freund hatte sich noch nicht gemeldet. In mir erwachte ein ungutes Gefühl, das ich krampfhaft zu verdrängen versuchte. Was war mit Lance schiefgelaufen?
Die Ungewißheit dämpfte meine Freude über den errungenen Sieg, und ich ging mit dem Wunsch zu Bett, Lance möge morgen anrufen und uns mitteilen, daß alles in Ordnung wäre.
Die Nacht war kurz. Ich fühlte mich am nächsten Morgen dennoch gut. Vicky lag neben mir, und ich betrachtete ihr hübsches Gesicht, das von ihren goldenen Locken zauberhaft umrahmt war. Ich konnte nicht anders, ich mußte sie wachküssen. Sie schlang seufzend die Arme um meinen Nacken und hielt mich fest.
»Guten Morgen«, sagte ich leise.
»Jeder Morgen ist ein guter Morgen, wenn du da bist«, erwiderte Vicky lächelnd.
Ich streichelte sie liebevoll. »Hast du gut geschlafen?«
Sie nickte. »Weißt du, was schön wäre?«
»Was?« fragte ich.
»Mal so richtig ausspannen«, sagte Vicky und räkelte sich wohlig.
»Wir verreisen für ein paar Tage, sobald alles wieder im Lot ist.«
»Ist es das denn jemals? Wie lange jagst du nun schon Geister und Dämonen, Tony? Wie lange wirst du es noch tun?«
»Ich weiß es nicht. Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht.«
»Aber ich«, sagte Vicky. »Als du gestern mit Mr. Silver das Haus verlassen hast, da dachte ich - wie schon so oft: Eines Tages wird er nicht zurückkommen.«
Sie hatte mit dieser Angst zwar recht, aber ich ließ sie nicht gelten. Natürlich konnte immer etwas schiefgehen. Wenn Rufus mich letzte Nacht mit seinen magischen Stacheln erwischt hätte, wäre ich erledigt gewesen.
Es gehörte immer wieder auch ein kleines Quentchen Glück dazu, um über die Runden zu kommen, aber brauchte man das nicht in allen Bereichen des Lebens?
»Das Leben ist lebensgefährlich«, zitierte ich einen bekannten Schriftsteller.
»Zieh die Sache bitte nicht ins Lächerliche, Tony«, sagte Vicky ernst. »Du hast einen gefährlichen Job.«
»Das hat ein Lastwagenfahrer, der Nitroglyzerin geladen hat, auch«, erwiderte ich. »Und wenn sich ein Polizist von seiner Familie verabschiedet und seinen Dienst antritt, weiß er auch nie, ob er seine Lieben Wiedersehen wird, denn er kann vor die Waffe eines schießwütigen Verbrechers geraten.«
»Wenn ich sage, es wäre schön, mal so richtig auszuspannen, meine ich: Nichts wissen von dieser erschreckenden Vielzahl an Höllenfeinden, mit denen du dich immer wieder herumschlagen mußt… Frieden… Nichtstun… Erholung… Keine Kämpfe… Keine Gefahren… Nur du und ich…«
»Auf einer Insel.« Ich lächelte.
»Ich weiß, ich wünsche mir sehr viel«, gab Vicky zu. »Zuviel vielleicht. Aber träumen darf ich davon.«
Vicky war sehr offen an diesem Morgen. Sie schien ihre Wünsche und Sehnsüchte schon sehr lange mit sich herumzutragen, hatte aber noch nie mit mir darüber gesprochen. Vermutlich deshalb, um mein Gewissen nicht zu belasten.
Es war von Vorteil, wenn ich unbelastet in einen Kampf ging. Wenn ich bei allem, was ich tat, an Vicky denken würde, wäre ich zu vorsichtig geworden - und hätte keine Siege mehr errungen.
Manchmal ging es nicht anders, da mußte ich Kopf und Kragen riskieren, um einen Gegner zu bezwingen. Das geringste Zögern hätte ihm eine Chance geboten, den Spieß umzudrehen. Aber einer liebenden Frau war das schwer beizubringen. Liebe beinhaltet eine große Portion Egoismus.
Ich zeichnete die Linien von Vickys vollen Lippen mit dem Zeigefinger nach. »Verrätst du mir, wovon du sonst noch träumst?«
Sie sah mich nicht an. »Du bist mir nicht böse, wenn ich es sage?«
»Ganz bestimmt nicht.«
»Ich träume… von einem eigenen Heim…«
»Das hast du doch«, sagte ich.
»Von einem Heim, in dem ich mit dir allein bin«, erklärte Vicky. »Wann waren wir schon mal ganz allein, Tony?«
»Was hast du gegen Roxane und Mr. Silver?«
»Nichts. Überhaupt nichts. Sie sind ganz reizend. Bessere Freunde kann man sich gar nicht wünschen…«
»Und Boram verhält sich stets so still, als wäre er nicht vorhanden.«
»Du verstehst mich nicht«, sagte Vicky. »Wir sind nie richtig allein. Nur du und ich, sonst niemand. Und wir können nie tun, was wir wollen, was uns gerade so in den Sinn kommt…«
»Wer kann das schon?« gab ich
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