1966 - Der Schattenbruder
die Lebenszeichen des Tazolen stabil, aber auf einem extrem schwachen Niveau. Der endgültige Zusammenbruch konnte jeden Augenblick erfolgen und würde ein tödliches Organversagen nach sich ziehen. Beim technischen Gerät hatten sie mehr Glück gehabt. Das „Badezimmer" des Scoctoren war kaum beschädigt worden, und die Galaktiker hatten einen Großteil der Einrichtung auf die MERLIN und dann in die Sicherheitszelle des Scoctoren geschafft. Sie hatten auch Vorräte der Tinktur gefunden, mit der Vil an Desch seine Haut eingerieben hatte, um die insektoiden Nützlinge anzulocken.
Der Tazole lag auf dem bettähnlichen Gebilde, das man auf Thagarum geborgen hatte. Er war nackt; seine einteilige, dunkelviolette Montur aus Kunstfaser hatte man ihm ausgezogen. Atlan und Tekener beobachteten ihn via Hologramm aus dem Überwachungsraum. Dr. Mangana persönlich hatte den Bewusstlosen mit der Tinktur eingerieben und ließ die Myrden nun frei. Die Riesenhummeln schwirrten unruhig in einem großen Käfig aus Formenergie umher, der auf einer kleinen Antigravplattform stand. „Was fressen diese Viecher eigentlich?" fragte Tekener. „Sie scheinen tatsächlich das algiotische oder tazolische Äquivalent unserer Bienen und Bienenähnlichen zu sein", murmelte der Chefarzt der MERLIN und drückte auf einen Knopf. „Wir füttern sie mit einem genau auf sie abgestimmten zucker- und süßstoffhaltigen Wasser." Er trat schnell zurück. Eine eigentlich Überflüssige Vorsichtsvorkehrung, denn ein schwaches Schimmern um seinen Körper ließ erkennen, dass er sich in ein energetisches Schutzfeld gehüllt hatte. Die Insekten konnten ihn darunter nicht wahrnehmen und sich somit durch seine Anwesenheit auch nicht verwirren lassen.
Die Myrden brauchten einen Augenblick, um zu begreifen, dass die unsichtbare Barriere, die sie zuvor an Ort und Stelle gehalten hatte, nicht mehr existierte. Dann schwirrten sie brummend aus, flogen aufgeregt durch den ganzen Raum. Doch sie beruhigten sich schnell und richteten ihre Aufmerksamkeit auf den Tazolen auf der Ruheliege. Oder besser gesagt auf die Tinktur auf seiner Haut. Vielleicht hatten die Galaktiker sie zu gut gefüttert, denn sie schienen es nicht eilig zu haben, die Substanz aufzunehmen. Dann jedoch ließ der erste Myrde sich gemächlich auf einem Bein des .Humanoiden nieder. Atlan verzog unwillkürlich leicht das Gesicht, als der Nützling den Oberschenkel hinaufkrabbelte und dabei die Tinktur und abgeschuppte Hautteile verzehrte.
Er glaubte, ein altertümliches Surren der Aufnahmegeräte zu hören, die nun die gesamte Szene, jeden einzelnen Vorgang, aus jedem nur möglichen Blickwinkel festhielten. Ob Vil an Desch überlebte oder nicht - sie konnten sich nicht darauf verlassen, dass er sich als kooperativ erwies, und mussten versuchen, der symbioseähnlichen Beziehung selbst auf den Grund zu gehen. Immer mehr Myrden ließen sich auf Vil an Desch nieder und verrichteten ihr unappetitliches Werk. Der Arkonide mahnte sich zur Gelassenheit. Er war in seinem langen Leben schon auf zahlreiche symbiotische Partnerschaften gestoßen, und fast immer hatten sie sich als Vorteil für alle beteiligten Parteien erwiesen.
Mittlerweile krabbelten sämtliche Myrden über den Körper des Tazolen, kratzten mit ihren Fühlern die zähflüssige Tinktur und abgestorbene Hautpartikel zusammen und nahmen sie mit ihren Fresswerkzeugen auf. Atlan fragte sich, was sie im Austausch dafür zurückließen. Aber die Wissenschaftler der GILGAMESCH-Module würden es früher oder später herausfinden. Hoffentlich noch rechtzeitig ...
Es dauerte eine Weile, bis der Appetit der Insekten gestillt war oder sie keine weitere Nahrung mehr fanden. Zwei, drei, vier von ihnen erhoben sich von Vil an Deschs reglosem Leib, schwirrten summend durch den Raum. Doch ihre Bewegungen wirkten viel schwerfälliger als zuvor. Lag das nur daran, dass sie. gesättigt waren oder sich sogar Überfressen hatten, oder...? Ein Myrde prallte gegen eine Wand, fiel zu Boden und blieb reglos liegen.
Ein weiterer stürzte mitten im Flug ab.
Nach zwei Minuten bewegte sich kein einziges der hummelähnlichen Insekten mehr. Dr. Mangana kniete neben einem Myrden nieder und untersuchte ihn mit einem modifizierten Medo-Scanner. Dann schüttelte er den Kopf, erhob sich wieder und schaltete das Schutzfeld um seinen Körper aus. „Sie sind tot", sagte er. „Alle Myrden sind verendet."
Dafür ging es Vil an Desch wesentlich besser. „Seine Innenorgane
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