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1966 - Der Schattenbruder

Titel: 1966 - Der Schattenbruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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von Pauthor, dem fünften Planeten der Sonne Whekrol in der Ostseite von Chearth, auf dem Mhogena aus dem Ei geschlüpft war. Aus beruflichen Gründen hatten sie sich hier niedergelassen und einige Nachkömmlinge ihrer letzten sechs Gelege mitgenommen. Obwohl Pratmoka von insgesamt sechzehn Geschwistern begleitet wurde, schien er sich auf Pauthor nie wohl zu fühlen, nie einzuleben. Er sträubte sich geradezu, auf dieser Welt seine Erfüllung zu suchen, und hielt sich abseits. Die ihm von den Ausbildern zugewiesenen Pflichten erledigte er gründlich, aber ohne jede Eigeninitiative. Und wenn es jemanden gab, der nicht dem Grundsatz Alle sind eins folgte, dann er. Er hielt sich fern von den anderen.
    Wenn die Schüler sich in den Pausen zwischen ihren Ausbildungseinheiten unterhielten, durch Spiele von den Anstrengungen ablenkten oder sich ganz einfach körperlich austobten, um da. nach besser imstande zu sein, sich wieder auf die Worte der Lehrer zu konzentrieren, saß er einfach nur da, das Gesicht niemand im besonderen zugewandt, und hielt die sowohl nach vorn als auch nach hinten gerichteten Augen offen, um die gesamte Umgebung beobachten zu können. Er nahm alles wahr, richtete die Aufmerksamkeit aber nie auf eine bestimmte Person. Pratmoka war für sein Alter sehr großgewachsen und kräftig. Deshalb ließen die anderen Schüler ihn in Ruhe, mieden ihn, forderten ihn nicht heraus, aber auch nicht auf, an ihren Aktivitäten mitzuwirken.
    Mhogena spürte schon seit einer Weile instinktiv, dass es in Pratmoka brodelte. Er suchte unentwegt etwas und fand es nicht. Er war unzufrieden mit sich selbst und seiner Rolle in der Gemeinschaft, aber nicht bereit, irgendetwas daran zu ändern. Dass die Eskalation der Gewalt nicht aufzuhalten war und diese negativen Emotionen irgendwann mit Brachialgewalt an die Oberfläche dringen mussten, hatte Mhogena schon in dem Augenblick befürchtet, in dem der junge Gharrer ihrer Schulklasse zugewiesen worden war. Doch dass sie sich ausgerechnet gegen ihn wenden würden, das hatte er wirklich nicht geahnt.
    Pratmoka saß auch in dem Augenblick, in dem die aggressive Ausstrahlung auf Mhogena einschlug, wieder so reglos da wie fast immer. Seit mehreren Minuten hatte sein halbmondförmiger, starr mit dem Rumpf verbundener Kopf sich nicht mehr bewegt. Die Pupillen über den grünschillernden Augen hatten sich kein einziges Mal zusammengezogen. Man hätte ihn für eine Statue halten können. „Aber .., ich habe doch gar nichts getan!" sagte Mhogena, woraufhin der Zorn, der Hass, den er wahrnahm, nur noch stärker wurde. Als der großgewachsene Pratmoka plötzlich aufsprang, verstummten alle Gespräche, endeten alle Spiele, mit denen die Schüler sich in der kurzen Pause die Zeit vertrieben.
    Und Mhogena vernahm den Gestank. Die durchdringende Ausdünstung der Verwesung. Plötzlich wusste er, dass der tiefe Groll, den Pratmoka hegte, ihn zu einem körperlichen Angriff veranlassen würde. Instinktiv sprang er zurück. Keinen Augenblick zu früh. Die bis zu den Knien reichenden Arme der Gharrer enthielten zwar kein Knochengerüst, aber kräftige Sehnen- und Muskelbündel. Sie konnten eine tödliche Waffe darstellen. Auch wenn Pratmoka nicht seine volle Kraft in den Schlag legte, er hätte das Opfer fällen und schwer verletzen können. Denn er holte mit aller Gewalt aus, zu der sein Zorn ihn trieb.
    Bevor Mhogena protestieren, ja überhaupt irgendetwas sagen konnte, setzte der Entwurzelte bereits nach. Die anderen Kameraden standen noch immer wie erstarrt da. Ihre Überraschung war einfach zu groß. An dieser Schule war seit Jahrzehnten kein tätlicher Angriff mehr vorgekommen. Rein körperlich war Mhogena dem anderen weit unterlegen, daran bestand nicht der geringste Zweifel. Instinktiv griff er auf die paranormale Kraft zurück, von der er seit frühester Kindheit wusste, dass sie in ihm schlummerte, genau wie in jedem anderen seines Volkes.
    Mhogena hätte nicht erklären können, wie er diese Kraft aus den Tiefen seines Bewusstseins an die Oberfläche riet. Dieser Vorgang war für ihn genauso natürlich wie das Atmen. Die Fähigkeit war da, und er setzte sie einfach ein. Er lauschte tief in sich hinein, fand die Kraft, die dort in ihm schlummerte, entfesselte sie - und stöhnte entsetzt auf. Der brodelnde Aufruhr aggressiver Emotionen, der Mahlstrom des Hasses, Neids, Abscheus und der Gewaltbereitschaft, der ihm entgegenschlug, war unermesslich stärker, als er gedacht hatte. Noch nie war

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