1967 - Die List des Scoctoren
Mhogena an den Worten seines Schattenbruders zweifeln lassen, doch diesmal hatte der Totling nicht in Rätseln gesprochen. Chethona hatte ihn ein letztes Mal gegrüßt. Schon aus dem Reich der Schatten. „Alle sind eins, Chethona", murmelte er, als die MAGREDU über der Dekkaret-Ebene höher stieg und dann Kurs auf die Hauptstadt Keroufas nahm. „Du bist nun Teil eines anderen Ganzen."
„Alle sind eins." Mhogena sprach die Worte, und über all auf der Welt im Kugelsternhaufen Horo-27, wo Gharrer lebten, wurden sie wiederholt. Die Bewohner Keroufas hatten seine Bitte, das Ritual mit ihnen zu vollziehen, trotz des traurigen Anlasses bereitwillig akzeptiert, wenn nicht sogar insgeheim voller Freude. Da ihre Welt noch nicht über einen Protektor verfügte, waren sie darauf angewiesen, sich von dem einer anderen Welt oder einem Meister des Sandes führen zu lassen, wenn sie eins mit der Schöpfung werden wollten. .„Alle sind eins", wiederholte Mhogena und öffnete die parapsychischen Sinne.
Das Ritual war für ihn schon längst zur Routine geworden, zumindest, was den Ablauf betraf. Die Ehrfurcht, die er bei der Vereinigung mit der Schöpfung empfand, war allerdings noch genauso groß wie beim erstenmal. Er öffnete den Geist und sah ihn sofort vor sich, den Flickenteppich aus unzähligen Knoten, ein jeder davon die psireflektorische Kraft der Gharrer. Und er vereinigte ihn mühelos, fügte ihn zusammen zu einem Schild, einem Schirm, der bis in den Orbit der Welt reichte. Und dehnte ihn aus, bis er schließlich das gesamte Sonnensystem umspannte.
Doch diesmal war etwas anders als sonst. Mhogena nahm den Hauch der Schöpfung wahr, wurde eins mit ihr, doch sie zerrte ihn und sämtliche Gharrer dieser Welt an einer seltsamen Schnur entlang, einem Strang aus Ritualen, eins älter als das andere, immer weiter ... Immer tiefer zurück in die Vergangenheit, dachte er. Zurück zu den Ursprüngen des Rituals ... Das plötzlich gar kein Ritual mehr war, sondern blutige, lebensbedrohende Wirklichkeit. Chearth hing voller fremder Raumschiffe...
Tausende waren es oder noch mehr. Raumschiffe, die aussahen wie zwei ineinander verschlungene Ringe ohne Zwischenräume. Oder wie überdimensionale Pfeile. Raumschiffe der Bewohner Algions, einer irregulären, vier Millionen Lichtjahre von Chearth entfernten Galaxis, die von den Tazolen und ihren Scoctoren beherrscht wurde. Vor fast sechshundert Jahren hatte es die ersten Kontakte zu algiotischen Raumfahrern gegeben, die jedoch nach kurzer Zeit abgebrochen und danach nie wiederaufgenommen worden waren. Schon unmittelbar nach der ersten Kontaktaufnahme hatte das Algiotische Imperium versucht, die Chearther zu der mystischreligiösen Weltanschauung zu bekehren, die in seiner Galaxis vorherrschte.
Als die Besucher jedoch auf keinen Fall konvertieren wollten, kapselten die Algioten sich in ihrem irregulären System ab und beantworteten alle weiteren Annäherungsversuche der Gharrer und ihrer Brudervölker mit Waffengewalt. Sie hatten sogar militärische Attacken auf Chearth gestartet und dort versucht, die Gharrer und ihre Brudervölker zu ihrer Viel-Götter-Religion zu bekehren. Bei diesen Konflikten sowie Dei anderen Kontakten zu kriegerischen Völkern in Nachbargalaxien hatten die Wasserstoffatmer zum erstenmal bewusst zu ihrem Schutz ihre psireflektorischen Kräfte zusammengefasst und einen Schirm errichtet, der bis in den Orbit ihrer jeweiligen Welt reichte. Bald stellten sie fest, dass sie mit der Unterstützung eines Meisters des Sandes ein ganzes Sonnensystem psireflektorisch absichern konnten.
So ist das Ritual entstanden, nach dem wir unser Leben ausrichten, dachte Mhogena. Heute dient es hauptsächlich dazu, uns daran zu erinnern, dass wir eine Gemeinschaft bilden, und uns zu ermöglichen, den Einklang mit der Schöpfung zu finden.
Der Spuk war damals schnell wieder vorbei gewesen, so schnell, dass er heutzutage nur noch als Fußnote in wenigen historischen Fachbüchern verzeichnet wurde und fast völlig in Vergessenheit geraten war. Die Algioten hatten die Sinnlosigkeit ihres Unterfangens eingesehen und sich, beeinflusst von den mentalen Kräften der Gharrer, sofort wieder zurückgezogen. Danach hatten sie sechshundert Jahre lang nichts mehr von den Algioten gesehen oder gehört. Die Chearther hatten deren Galaxis gemieden, und über die Entwicklung, die in dieser Zeit dort stattgefunden hatte, war so gut wie nichts bekannt.
Aber warum sah er ausgerechnet jetzt Bilder des
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