1967 - Die List des Scoctoren
zu säugen. Danach hatte sein Schattenbruder sich noch einige Male bei ihm gemeldet, ihn durch diesen Geruch darauf aufmerksam gemacht, dass ihm Gefahren drohten oder seinem Leben wichtige Veränderungen bevorstanden. Gelegentlich hatte er auch zu ihm gesprochen, doch der Sinn seiner Worte war Mhogena manchmal erst nach Jahren, manchmal nie klargeworden. „Riechst du nichts?" fragte er seinen Adjutanten.
Nokdael bewegte sämtliche Geruchsorgane an den Seiten des halbmondförmigen Kopfes, hob dann die Hände und spreizte die jeweils vier Finger und zwei Daumen. „Nein, Erhabener. Gar nichts."
„Aber ..." Mhogena verstummte. Nur er konnte die Stimme seines Schattenbruders hören, wie er wusste, seit er sie zum erstenmal vernommen hatte. Seine Schwestern Rhavet und Chethona waren Zeuginnen der unerklärlichen Begegnung gewesen, hatten aber nur gesehen, wie er in die Luft gestarrt und mit einem Unsichtbaren gesprochen hatte. Warum sollte es bei dem Geruch des Todes anders sein?
Immer stärker wurde der Gestank, immer durchdringender, eine beißende Ausdünstung, die tiefe Übelkeit in ihm hervorrief. Und dann drangen wie aus weiter Ferne Worte in seinen Geist. „Chethona lässt dich grüßen", vernahm er klar und deutlich das hohe Zirpen seines Schattenbruders. „Sie ist genau wie ich der Ansicht, dass dein Leben vom heutigen Tag an nie mehr so sein wird wie zuvor. Du wirst Dinge sehen, die dein Verständnis übersteigen, aber das ist nur ein Vorspiel dessen, was dich in einigen Jahrzehnten erwartet."
„Was ..." Als er bemerkte, dass Nokdael ihn entgeistert musterte, hielt er inne. „Chethona", murmelte er dann. Schon früh hatte er die wahre Begabung seiner Gelegeschwester erkannt und ihr empfohlen, sich für eine Tätigkeit in der Agrarökonomie ausbilden zu lassen.
Auch Rhavet, seine zweite Gelegeschwester, hatte er schon in früher Kindheit genau richtig eingeschätzt. Vor allen anderen hatte er ihr mathematisches Genie erkannt. Beide hatten seine Ratschläge bezügl1ch der Berufswahl befolgt. Während Rhavet allerdings als anerkannte Hyperphysikerin an zahlreichen Universitäten gelehrt hatte und noch immer lehrte, war Chethona als Kolonistin nach Keroufa gegangen, einer neu besiedelten Welt im Kugelsternhaufen Horo-27, rund 100.000 Lichtjahre in westlicher Richtung vom galaktischen Zentrum entfernt. Dort hatte sie sich als Bäuerin niedergelassen und ihre Erfüllung gefunden. Und nun bestellte sein Schattenbruder ihm Grüße von ihr. Das konnte nur eins bedeuten...
Aber vielleicht war es ja noch nicht zu spät. „Nimm Kontakt mit der MAGREDU auf!" Als Meister des Sandes, Diplomat und Protektor von Pauthor stand ihm jederzeit ein Raumschiff zur Verfügung. Im Augenblick handelte es sich dabei um eine Walze von zweihundert Metern Länge. Sie war nach dem Ersten Boten Thoregons aus dem Volk der Gharrer benannt worden. „Der Kommandant soll sie sofort startklar machen. Unser Ziel: der Planet Keroufa im Kugelsternhaufen Horo-27. Ich bin unterwegs zum Raumhafen."
„Aber... .die Feierlichkeiten zu deinem Geburtstag, Erhabener ..."
„Werden verschoben. Oder ganz abgesagt. Nach allem, was ich gerade erfahren habe, bezweifle ich, dass ich in absehbarer Zukunft nach Pauthor zurückkehren werde." Er ignorierte Nokdaels verwirrten Blick und marschierte aus seinem Büro.
Keroufa war erst vor wenigen Jahrzehnten besiedelt worden, und die Bevölkerungszahl war noch zu gering, als dass der Planet schon über einen eigenen Protektor verfügt hätte. Daher wurde Mhogena von Haduahl begrüßt, dem Sprecher der planetaren Verwaltung, kaum dass die MAGREDU sich in Reichweite der Funkgeräte befand. Er kannte den etwa Hundertjährigen flüchtig von den letzten Besuchen her, die er Chethona auf ihrer neuen Heimatwelt abgestattet hatte. „Deine Schwester befindet sich zur Zeit nicht in der Hauptstadt", sagte der Administrator. Mhogena wusste, dass der Begriff „Hauptstadt" ein Euphemismus für die größte der vier dauerhaften Ansiedlungen auf dieser Welt war, in der Chethona sich niedergelassen hatte. „Sie ist mit einem Team von Agrarökonomen auf die Dekkaret-Hochebene auf der anderen Seite des Planeten geflogen, um zu überprüfen, ob sie sich für eine Intensivbepflanzung mit Ammoniakgebirgsgras eignet. Die Bedingungen dort kamen ihr ideal vor. Die Ebene wird von bis zu sechzehntausend Meter hohen Bergen umgeben, die sie vor den Witterungseinflüssen schützen, und ..."
„Wann habt ihr zum letzten Mal von der
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