1968 - Ketzer der Tazolen
mochte sich zwar wie eine Majestät geben, aber hinter der Fassade war und blieb er für die Kartanin eine miese Dagrug-Ratte, nicht einmal zum Verzehr geeignet. „Das kann man mir wohl nicht verdenken", versetzte der Tazole, der weder sensibel noch erfahren genug war, um das zu erkennen. Sicherlich war es ihm auch völlig gleichgültig, was andere über ihn dachten - vor allem irgendwelche ungläubigen Fremden aus einer fernen Galaxis. „Damit kann ich weiterleben, selbst wenn ich für immer im Exil bleiben muss."
„Deine Götter werden uns sicher davor bewahren", meinte Mhogena freundlich. Vil an Desch war humorlos und außerdem viel zu sehr auf das Ziel konzentriert, um den Sarkasmus wahrzunehmen. Er starrte durch die Aussichtskanzel auf das sich unaufhaltsam nähernde Meer hinab.
So nahe, ohne die Übersicht, sah es erstaunlich schön aus - friedlich, mit leisem Wellengang, von der Sonne wärmend beschienen. Das grünlich schimmernde Wasser war sehr klar, und das sternförmige, siebenstrahlige Korallenriff leuchtete orangefarben. In der Ferne waren Fontänen riesiger, lungenatmender Wasserbewohner zu sehen, terranischen Walen ähnlich, nur bedeutend größer. Lange konnte das Idyll nicht mehr so bestehen: Die Radioaktivität durchdrang das Wasser mit rasender Geschwindigkeit, bald würde auch in diesem Gebiet alles Leben erlöschen. „Ihr könnt euch nicht vorstellen, welche Bedeutung das E1coxol für uns hat", murmelte der Tazole unbeeindruckt. „Es geht nicht nur um die Existenz. Unser ganzes Sein, die Ideologie unseres Volkes ist dadurch bestimmt worden. Und das hat uns letztlich auch den Göttern näher gebracht ..."
Vergangenheit: Tazolar Nach Soe ra Lors Überlieferungen Isho war eine ferne Nachfahrin der Gev, jener älteren Tochter Syrs, die Richtung Westen gezogen war, ins Landesinnere hinein. Gev hatte sich dort mit ihren fünf Männern sowie weiteren Frauen und Männern, die ihr gefolgt waren, niedergelassen und eine Siedlung gegründet. Das Land war sehr fruchtbar und vor allem feucht. Nicht nur nahrhafte Pflanzen, sondern auch viele kleine und mittelgroße, genießbare Tiere gab es hier. Es war ein guter Platz, um neu zu beginnen. Im Lauf der Jahre wuchs die Siedlung an, als umherziehende Nomaden sich von dem Reichtum beeindrucken ließen und ebenfalls sesshaft wurden. Gev hatte angefangen, sich Gedanken über die Zusammenhänge des Zusammenlebens mit Männern und dem Kinderkriegen zu machen. Sie selbst ließ sich von keinem Mann berühren, um ihre Lebenszeit zu verlängern, und wurde dementsprechend auch niemals schwanger. „Es ist der Mann, der die Frucht zum Erblühen bringt", sagte sie zu den anderen Frauen. „Daher darf ich meine fünf Männer nicht für mich behalten, wenn unser Stamm wachsen und gedeihen soll. Wir brauchen Kinder, viele Kinder!"
„Aber du weißt doch, wie schwer die Geburten immer sind", wandte eine Frau ein. „Ich werde euch helfen, denn ich bin eure Hohepriesterin und Schamanin", versprach Gev. „Ihr werdet länger leben, und ihr müsst vielen Kindern das Leben schenken, sonst sterben wir aus. Ich habe die besten Männer. Nehmt sie euch, zeugt mit ihnen kräftige und starke Nachkommen." Aber Gev konnte nicht viel tun, um das Leben der Frauen zu verlängern. Die Lebensspanne der Männer war inzwischen schon fast doppelt so lang. Es waren die Geburten, die zehrten, und es gab keinen Ausweg.
Auch Gev konnte dem nicht entgehen. Kurz vor der letzten Phase sah sie die Zeit gekommen, nun doch endlich einem Kind das Leben zu schenken - einer Tochter, der sie ihr ganzes Wissen vererben würde und die das Werk fortführen sollte. So setzte sich die Reihe von Syr bis Isho fort. Längst hatte sich viel verändert. Aus der einfachen Siedlung war eine frühzeitliche Stadt geworden, mit Hütten aus Lehm und Holz, die Wind und Wetter standhielten. Die Wege waren mit Steinen befestigt, über die Handkarren gezogen wurden. Andere Städte waren. entstanden, zwischen denen Handel stattfand - jeder tauschte mit jedem. Allen ging es im Großen und Ganzen gut unter der Führung der weisen Frauen.
Die Hohepriesterin fungierte als Richterin in mehreren Städten; sie besaß das größte Wissen. Ihr vertraute man sich bei allen Sorgen und Nöten an und bat sie um Hilfe, vor allem, wenn man krank war. Isho konnte sich an jeden Gesang, jedes Rezept, jeden Wissensschatz, den ihre Mutter ihr überliefert hatte, wortwörtlich erinnern. Als sie ihr Amt angetreten hatte, hatte sie als Erstes
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