1969 - Grausame Götter

immer mehr zerbröckelte. Was für eine Ironie des Schicksals, dass jene Halbwilden, denen die Urungaber einst die überlichtschnelle Raumfahrt geschenkt hatten und die durch ihre Kampfkraft das Urungaber-Imperium gestärkt hatten, nun zu dessen Totengräbern wurden!
    Mash Giorossatako erfuhr, dass einer der treibenden Kräfte des Daffin-Aufstandes der Scoctore Lobon aro Vish war. Dieser sollte auch zu den fünf Scoctoren gehört haben, denen Egor Daffiromidenos am Vorabend der Entscheidungsschlacht das Gebets- und Badeverbot auferlegt hatte. Das rief in dem greisen Mash Giorossatako die Erinnerung an die Zeit wach als er auf jener Weltraumstation Kommandant gewesen war, auf der Lobon aro Vish und seine Tazolen Unterricht in Hyperphysik erhalten und durch Zufall das „hyperphysikalische Wunder" in der Nachbargalaxis Yeguenol entdeckt hatten. Inzwischen war dieses „Tor der Erleuchtung" zu einem festen Bestandteil der tazolischen Glaubenslehre geworden.
    Mash Giorossatako erinnerte sich noch gut daran, dass seine Vorgesetzten ihn davor gewarnt hatten, den Tazolen das kosmische Leuchtfeuer von Yeguenol zu zeigen. „Die sind imstande und verehren dieses Phänomen als heiligen Ort", hatten die urungabischen Führer damals gescherzt. Längst war dies Realität geworden, und die Tazolen taten gerade so, als hätten sie das „Tor der Erleuchtung" schon ewig als „Schrein des Gaintanu" verehrt.
    Es kam der Tag, da mussten die Urungaber kapitulieren. Es war für Mash Giorossatako eine Fügung des Schicksals, dass die Friedensverhandlungen auf dem Planeten Lombramisso stattfinden sollten.
    Die dazugehörigen Feierlichkeiten wurden mit großem Pomp abgehalten. Allen voran marschierten die eitlen Voranesen unter der Führung ihres Diktators O'Gogamech mit gewaltigem Gefolge auf; es war eine einzige Demonstration von Macht und Stärke, als sie ihre Lufteinheiten in nicht enden wollenden Staffeln über den Himmel des Planeten jagten. Danach folgte die Delegation der Tazolen, deren Waffenparade ausschließlich vom urungabischen Beutegut getragen wurde. Zuletzt traten die Urungaber als Besiegte auf, die auf jedwede Waffenschau verzichteten.
    Die Kapitulationsverhandlungen waren kurz und liefen nach dem Diktat der Siegermächte ab. Demnach bekamen die Tazolen ihre Unabhängigkeit und begründeten das Clannach-Imperium. Die Voranesen bekamen eine Reihe von Sonnensystemen in ihrem Grenzbereich zugesprochen, die bisher heiß umkämpft waren. Mit dieser Lösung sollten die Streitigkeiten beendet werden. Zuletzt wurden die Urungaber zur Leistung von hohen Bußzahlungen an die Siegermächte verurteilt. Als auf diesem Planeten ansässiger Veteran wurde Mash Giorossatako zum folgenden Abschlussbankett eingeladen. Er nahm die Einladung an, obwohl er bereits zu schwächlich war um sich auf den Beinen halten zu können und einen Rollstuhl benötigte.
    Aber er wollte unbedingt dabei sein, wenn man den Untergang des Urungaber-Reiches beging. Schließlich hatte er die Anfänge des Untergangs miterlebt.
    Obwohl die Sicherheitsvorkehrungen überaus streng waren, hatte Mash Giorossatako keine Probleme, in die Nähe von Lobon aro Vish zu gelangen.
    Aus der Nähe betrachtet, schien der Scoctore überhaupt nicht gealtert zu sein. Während die vergangenen dreißig Jahre ihn, Mash Giorossatako, schwer gebeugt und an den Rollstuhl gefesselt hatten, war Lobon aro Vish aufgeblüht und strotzte förmlich vor Vitalität. An der Seite des Tazolen ging ein Urungaber, der eine einfache tazolische Tracht trug. Seine dreifingrigen Hände spielten unablässig mit den Steinen eines Liandos. Dabei wirkte er ein wenig abwesend, nicht unbedingt wie in Trance, aber so, als halte er ständige Zwiesprache mit sich und seinen neuen Göttern.
    Mash Giorossatako erkannte in diesem zum tazolischen Glaubenbekehrten Urungaber den ehemaligen Flottenkommandanten Egor Daffiromidenos.
    Mash ließ seine Blicke rasch weiterwandern zu Lobon aro Vish. Er konnte nicht anders, als ihn mit unverhohlenem Neid zu betrachten. Er starrte ihn wohl so intensiv an, dass der Scoctore auf ihn aufmerksam wurde. „Sollten wir uns bekannt sein?" fragte Lobon zweifelnd. Mash Giorossatako nannte seinen Namen und löste damit eine überraschende Reaktion des Tazolen aus. Dieser kniete vor ihm nieder und sagte mit Ehrfurcht, von der Mash nicht zu sagen vermochte, wie ironisch sie gemeint war: „Du hast einst ungewollt durch dein Verbot, das Tor der Erleuchtung zu schauen, die Initialzündung für