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1974

1974

Titel: 1974 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
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wurden. In einer Ecke stand ein Katzenklo, und der ganze Raum roch danach.
    »Bitte setzen Sie sich«, sagte die Dame und wies auf das hintere Ende eines großen Sofas, über das ein Batiktuch drapiert war.
    Die konservative Erscheinung der Frau biß sich mit der orientalischen Flippie-Einrichtung und mit ihrem Beruf. Ein Gedanke, den ich offensichtlich nicht verbergen konnte.
    »Mein Ex-Mann war Türke«, sagte sie unvermittelt.
    »Ex?« fragte ich und schaltete das Philips Pocket Memo in meiner Tasche an.
    »Er ist nach Istanbul zurückgegangen.«
    Ich konnte nicht widerstehen. »Und das konnten Sie nicht vorhersehen?«
    »Ich bin ein Medium, Mr. Dunford, keine Wahrsagerin.«
    Ich saß auf dem Sofa und kam mir wie ein Blödmann vor. Mir fiel nichts ein, was ich sagen konnte.
    Schließlich bemerkte ich: »Ich mache keinen sehr guten Eindruck, oder?«
    Miss Wymer erhob sich schnell aus ihrem Sessel. »Möchten Sie einen Tee?«
    »Das wäre sehr nett, wenn es keine Mühe macht?«
    Die Frau rannte beinahe aus dem Zimmer, blieb aber urplötzlich in der Türöffnung stehen, so als sei sie gegen eine Glasscheibe geknallt. »Sie riechen sehr stark nach schlechten Erinnerungen«, sagte sie leise mit dem Rücken zu mir.
    »Entschuldigung?«
    »Nach Tod.« Blaß und zitternd stand sie an der Tür und hielt sich am Rahmen fest.
    Ich stand auf. »Alles in Ordnung?«
    »Ich glaube, Sie gehen besser«, flüsterte sie und ließ sich am Türrahmen zu Boden gleiten.
    »Miss Wymer …« Ich ging zu ihr.
    »Bitte! Nein!«
    Ich streckte die Hand aus, um ihr aufzuhelfen. »Miss Wymer …«
    »Rühren Sie mich nicht an!«
    Ich wich zurück, und die Frau rollte sich zusammen.
    »Es tut mir leid«, sagte ich.
    »Es ist so stark«, sagte sie wimmernd.
    »Was denn?«
    »An Ihrem ganzen Körper.«
    »Was denn?« brüllte ich wütend und dachte an AF und an diese Tage und Nächte in Hotelzimmern mit all diesen Irren. »Was denn, sagen Sie es mir!«
    »Ihr Tod.«
    Plötzlich war die Luft stickig, mörderisch.
    »Wovon zum Teufel reden Sie überhaupt?« Ich ging auf sie zu, das Blut pochte mir in den Ohren.
    »Nein!« Sie schrie, rutschte auf dem Hintern durch den Flur, ruderte mit Armen und Beinen, ihr Rock glitt nach oben. »O Gott, nein!«
    »Halten Sie den Mund! Halten Sie den Mund! Halten Sie den Mund!« Ich schrie und eilte ihr den Flur entlang hinterher.
    Sie mühte sich auf die Beine und flehte: »Bitte, bitte, lassen Sie mich allein.«
    »Warten Sie!«
    Sie verschwand in einem Zimmer und schlug mir die Tür vor der Nase zu, wobei sie mir für einen Augenblick einen Finger der linken Hand einklemmte.
    »Sie verdammtes Miststück!« schrie ich und trat und hämmerte gegen die verschlossene Tür. »Sie verrücktes, verdammtes Miststück!«
    Ich blieb stehen, steckte mir den pochenden Finger der linken Hand in den Mund und sog daran. In der Wohnung war es still.
    Ich lehnte den Kopf an die Tür und sagte leise: »Bitte, Miss Wymer …«
    Ich konnte sie hinter der Tür verängstigt schluchzen hören.
    »Bitte, Miss Wymer. Ich muß mit Ihnen reden.«
    Ich hörte, wie Möbel bewegt, wie Kommoden und Schränke vor die Tür geschoben wurden.
    »Miss Wymer?«
    Eine leise Stimme drang durch das Holz der Türen, wie von einem Kind, das einem Freund unter der Bettdecke etwas zuflüstert.
    »Erzählen Sie ihnen von den anderen …«
    »Was?«
    »Bitte erzählen Sie ihnen von den anderen.«
    Ich lehnte mich an die Tür. »Welchen anderen?«
    »Den anderen.«
    »Welchen verdammten anderen?« brüllte ich und drückte und zerrte an der Türklinke.
    »All den anderen unter den hübschen neuen Teppichen.«
    »Halten Sie den Mund!«
    »Unter dem Gras, das zwischen den Steinen wächst.«
    »Halten Sie den Mund!« Meine Fäuste gegen das Holz, meine Knöchel blutig.
    »Sagen Sie es ihnen. Bitte sagen Sie ihnen, wo sie sind.«
    »Halten Sie den Mund! Halten Sie den verdammten Mund!«
    Ich lehnte den Kopf an die Tür, die Geräusche verebbten, die Wohnung war leise und dunkel.
    »Miss Wymer?« flüsterte ich.
    Ich verließ die Wohnung und sog an Knöcheln und Fingern. Ich sah, wie die Tür auf der anderen Seite des Treppenabsatzes langsam aufging.
    »Stecken Sie Ihre verdammte Nase woanders rein!« brüllte ich und stürzte die Treppe hinunter.
    »Sonst schneide ich Sie Ihnen ab, verdammt!«
     
    145 km/h, so geschockt war ich.
    Bleifuß auf der MI, zur Austreibung der alten und neuen Geister von Wakefield.
    Im Rückspiegel klebte ein grüner Rover. In meinem

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