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1974

1974

Titel: 1974 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
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Verfolgungswahn hielt ich ihn für einen Zivilfahnder.
    Mit dem Blick gen Himmel fuhr ich durch den fetten Bauch eines Wals, der Himmel die Farbe seines grauen Fleischs, pechschwarze Bäume seine mächtigen Knochen, ein feuchtes Gefängnis.
    Blick in den Rückspiegel, der Rover kam näher.
    Ich nahm die Ausfahrt Leeds, bei den verkohlten Überresten des Zigeunerlagers, die schwarzen Rahmen der ausgebrannten Wohnwagen noch mehr Knochen, die in einer Art heidnischem magischem Kreis der Toten gedachten.
    Blick in den Rückspiegel, der grüne Rover fuhr weiter nach Norden.
    Ich parkte den Viva, zwei schwarze Krähen fraßen aus schwarzen Müllsäcken, rissen an vergammeltem Fleisch, ihre Schreie hallten durch die Dunkelheit, als tobte die Pest.
     
    Zehn Minuten später saß ich an meinem Schreibtisch.
    Ich rief die Telefonauskunft an, dann James Ashworth, dann AF.
    Keiner da, alle beim Weihnachtseinkauf.
    »Du siehst ja furchtbar aus.« Stephanie mit Akten unterm Arm, fett wie eine Sahnetorte.
    »Mir geht’s blendend.«
    Sie stand vor meinem Schreibtisch und wartete.
    Ich glotzte die einsame Weihnachtskarte auf meinem Schreibtisch an, versuchte die Vorstellung zu verdrängen, wie Jack Whitehead es ihr von hinten machte, kriegte dabei aber selber einen hoch.
    »Ich habe letzte Nacht mit Kathryn gesprochen.«
    »Und?«
    »Kümmert es dich denn gar nicht, verdammt?« Und schon war sie auf hundertachtzig.
    Ich auch. »Wenn du mich fragst, geht dich das einen Scheißdreck an.«
    Sie rührte sich nicht, blieb einfach da stehen, Standbein, Spielbein, Spielbein, Standbein, ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    Ich fühlte mich mies und sagte: »Sorry, Steph.«
    »Du bist ein Schwein. Ein verdammtes Schwein.«
    »Sorry. Wie geht es ihr?«
    Sie nickte mit ihrem fetten Gesicht und gab sich und ihren eigenen fetten Gedanken recht. »Ist doch nicht das erste Mal, stimmt’s?«
    »Was hat Kathryn gesagt?«
    »Es hat schon andere gegeben, stimmt’s?«
    Die anderen, immer die verdammten anderen.
    »Ich kenne dich, Eddie Dunford«, setzte sie nach, beugte sich über den Schreibtisch; ihre Arme waren dick wie Oberschenkel.
    »Ich kenne dich.«
    »Ach, halt den Mund«, sagte ich leise.
    »Wie viele andere hat es denn schon gegeben, hm?«
    »Steck deine verdammte Nase gefälligst woanders rein, du fette Schlampe.«
    Applaus und Jubel brandete im Büro auf, Fäuste knallten auf Schreibtische, Füße stampften.
    Ich starrte Kathryns Weihnachtskarte an.
    »Du Schwein«, spuckte Steph.
    Ich schaute von der Karte auf, doch sie hatte sich umgedreht und war schluchzend zur Tür hinaus.
    Am anderen Ende des Büros reckten George Greaves und Gaz ihre Zigaretten zum Salut und hoben ihre Daumen hoch.
    Ich tat es ihnen gleich, frisches Blut am Fingerknöchel.
     
    Es war siebzehn Uhr.
    »Ich muß immer noch mit dem anderen reden, James Ashworth. Er war es, der die Leiche gefunden hat.«
    Fladden sah von seinem Stapel Weihnachtskarten auf. Er schob eine der größeren Karten unter den Stapel und sagte: »Alles ein bißchen dünn.«
    »Mystic Mandy ist völlig ausgeflippt.«
    »Haben Sie versucht, dazu einen Kommentar von der Polizei zu bekommen?«
    »Nein.«
    »Na ja, vielleicht auch besser so«, sagte er seufzend und blätterte weiter durch seine Karten.
    Ich war müde jenseits von Müdigkeit, hungrig jenseits von Hunger, der Raum war jenseits von heiß, und alles war viel zu real.
    Hadden sah von seinen Karten auf.
    »Gab’s heute was Neues?« fragte ich, und mein Mund war plötzlich voller Galle.
    »Nichts, was wir drucken könnten. Jack ist auf einer seiner …«
    Ich schluckte. »Auf einer was?«
    »Na, sagen wir mal, er läßt sich nicht in die Karten sehen.«
    »Ich bin sicher, er tut, was am zweckdienlichsten ist.«
    Hadden gab mir den Entwurf meines Artikels zurück.
    Ich schlug den Ordner auf meinem Knie auf, legte den Artikel hinein und zog einen anderen heraus. »Und dann hab ich noch das hier.«
    Hadden nahm mir das Blatt ab und schob seine Brille auf den Nasenrücken.
    Ich starrte zum Fenster hinter seinem Rücken hinaus, das Spiegelbild von gelben Bürolichtern über einem dunklen, nassen Leeds.
    »Verstümmelte Schwäne, hm?«
    »Sie haben doch sicher mitbekommen, daß es eine ganze Reihe von verstümmelten Tieren gegeben hat.«
    Hadden seufzte, und seine Wangen wurden rot. »Ich bin nicht blöd. Jack hat mir den Obduktionsbericht gezeigt.«
    Ich konnte Leute in einem anderen Teil des Gebäudes lachen hören.
    »Tut mir leid«,

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