1978 - Schlacht um Wanderer
Himmel war hellblau, mit wei ßen Schlieren vermischt, aber stabil. Die. Sonne war angenehm. Lotho spürte, wie das Gefühl in seine Beine zurückkehrte, und stand auf. Die er sten Schritte humpelte er noch, dann ging er aufrecht und sicher.
Vor ihm lag die Steppe, und weit dahinter glaubte er auf einem Geländesockel eine Art Stadt zu erkennen, mit hohen Türmen und vielen KlJ.ppeln, die in der Sonne gleißten.
Irgend etwas sagte ihm, daß dort sein Ziel lag, daß ES dort auf ihn wartete.
Aber warum hatte ES seinen neuen Boten nicht direkt zu sich geholt? Vielleicht war es eine der Prüfungen, für die die Superintelligenz bekannt und berüchtigt war. Lotho Keraete stöhnte, als er sich in Bewegung setzte. Er wußte, daß er diese Savanne vor sich durchqueren mußte. Und er wußte auch, daß dies nicht ungefährlich war. Bei Perry Rho - dans erstem Besuch auf Wanderer hatten hier Gefechte zwischen Indianern und Weißen getobt.
Jetzt sah es nicht danach aus, daß sich außer ihm ein lebendes Wesen auf Wanderer aufhielt. Der Stahlmensch war wieder im Besitz all seiner Kräfte - der künstlichen Muskeln, Knochen und Nervenbahnen - und machte sich an den Abstieg von den Hügeln hinab, auf denen er zu sich gekommen war, zu der weitläufigen kargen Ebene, die so friedlich aussah.
Der Boden war hier weich und tief, so als habe es tagelang stark geregnet. Auch die Gräser fühlten sich feucht an.
Keraete atmete frische, würzige Luft. Über das Filtersystem im Mundbereich entzog er ihr das Wasser, das er zum Leben brauchte. Nahrung benötigte er nur alle paar Wochen, es konnten im Extremfall auch einmal mehrere sein. Sie wurde in einem körpereigenen Bioreaktor zerlegt und in die benötigten Stoffe umgewandelt. Im Cyborgkörper waren statt Stoffwechselorganen Gerätschaften installiert, die es ihm erlaubten, das Hirn optimal zu versorgen.
Momentan verspürte er noch keinen Appetit. Verhungern würde er also nicht, selbst wenn er sich für längere Zeit auf Wanderer aufhalten mußte und nichts zu essen bekam.
Der im Jahr 2488 alter Zeitrechnung geborene Mann, der nach. über zweitausend Jahren noch immer das Aussehen eines 24jährigen hatte, legte den Weg in die Steppe in knapp fünf Stunden zurück. Sein Flugaggregat funktionierte hier erstaunlicherweise nicht, aber er kannte keine Erschöpfung. Ein Blick nach oben zeigte ihm, daß die Kunstsonne noch immer am selben Platz stand wie bei seinem Er°, wathen.
Er fragte sich, ob es auf Wanderer so etwas wie Tag und Nacht gab. Wenn die Kunstsonne stationär war, mußte ES sie in dem Fall für die Nacht ausschalten.
Es war eine Vorstellung, an die Lotho nicht so recht glauben konnte.
Plötzlich hatte er das Gefühl, als taste etwas nach seinem Geist. Er blieb stehen und sah sich um. Nichts war zu sehen, kein lebendes Wesen. Also die Stadt - nur von dort konnte der Einfluß kommen.
ES?
Bestimmt hatte die Superintelligenz andere Möglichkeiten, sich mit ihm in Verbindung zu setzen. Warum sprach sie also nicht zu ihm und sagte klipp und klar, was sie von ihm wollte? „ES!" rief Lotho Keraete. „Melde dich doch!" Das Gefühl des Betastetwerdens war nicht unangenehm. Im nächsten Moment war es auch schon wieder vorbei. Keraete konnte sich nicht helfen: Er hatte den Eindruck, daß ES sich ihm hatte mitteilen wollen, aber nicht konnte.
Dann steckte die Superintelligenz vielleicht in Schwierigkeiten.
Wie sollte ausgerechnet er ihr helfen?
Keraete marschierte weiter. Nach etwa drei Kilometern hätte er der Stadt erheblich näher sein müssen, aber danach sah es nicht -aus. Mit jedem Schritt, den er auf sie zutat, schien sie einen Schritt vor ihm zurückzuweichen.
Trotzig ging er weiter. Seine Sinne mußten ihn täuschen. Wahrscheinlich ging gleich alles auf einmal, und die Stadt mit den vielleicht über tausend Meter hohen Türmen lag zum Greifen nahe vor ihm..
Wenn er sich umdrehte, sah er, daß er nach wie vor mitten in der Prärie war. Diesen Begriff kannte er aus seinen Biologiestudien. Er bezog sich auf die Graslandschait des nordamerikanischen Halbkontinents.
Noch während er darüber nachdachte, sah er den reglosen Körper vor sich im spärlichen Gras. Er lief darauf zu und kniete sich neben ihn. Es war zweifellos ein Terraner. Er trug eine seltsame Uniform, die teilweise aus blauem Stoff bestand, und neben ihm lag ein noch seltsamerer Hut mit Abzeichen. Lotho Keraete, der sich auf Hobby-Basis ein wenig mit terra.nischer Geschichte beschäftigt hatte,
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