1981 - Richard
Zimmerservice die Bestellung. Er hatte in der Zwischenzeit geduscht und war bereits in seinem Pyjama, als er das Tablett durch den Türspalt entgegennahm. Während der Mahlzeit sah er fern. Die Flasche Wein leerte er nur zur Hälfte. Mit vollem Magen legte er sich schließlich hin. Er hatte das Licht schon ausgeschaltet, als ihm einfiel, sich am Morgen über den Hotelservice wecken zu lassen. Er erledigte noch diesen Anruf und war keine zehn Minuten später eingeschlafen.
*
Florence betrat ihr Zimmer. Sie legte die Briefe und ihre Jacke auf das Bett und ging sofort ins Bad. Sie zog auch noch die Bluse aus und ließ warmes Wasser in das Waschbecken einlaufen. Sie nahm ihre Lotion und rieb sich das Gesicht ein. Anschließend beugte sie sich über das Becken und wusch sich mit dem warmen Wasser. Sie griff noch gebeugt nach einem Handtuch und trocknete sich das Gesicht ab. Dann richtete sie sich wieder auf und sah in den Spiegel. Sie sah ihre grünen Augen und musste sofort an Georg denken. Sie ging dichter an den Spiegel heran und besah sich einige Grübchen, richtige Falten hatte sie noch nicht. Ihre Haut war gebräunt, sie war ohnehin mehr der dunkle Hauttyp. Mit Sonnenbrand hatte sie gewöhnlich keine Probleme, obwohl sie sich auch mit Cremes schützen musste, gerade, wenn sie lange in der Sonne war. Sie nahm einen Kamm aus ihrer Kulturtasche und strich durch ihr braunes Haar. Unter der künstlichen Badbeleuchtung war dieser rötliche Schimmer in ihrem Haar nicht richtig zu sehen. In der Sonne war der Effekt deutlicher. Sie zog die Bluse wieder über und ging zurück ins Zimmer.
Sie war zwar müde, aber sie war auch neugierig. Sie nahm das Bündel mit den Briefen vom Bett und setzte sich in den Sessel, der in einer Ecke ihres Zimmers stand. Sie knotete das Band auf und legte die Briefe einzeln auf den Tisch. Sie versuchte die Poststempel zu entziffern und begann die Briefe chronologisch zu sortieren. Schließlich lagen vier kleine Stapel vor ihr auf dem Tisch. Sie begann ganz rechts, nahm den ersten Umschlag und zog den Brief heraus. Sie lehnte sich zurück, richtete sich dann aber wieder auf. Bevor sie zu lesen begann, erhob sie sich noch einmal, ging zur Minibar und holte sich eine Cola und ein Paket Erdnüsse.
*
Georg war vor Florence im Frühstückssaal. Es war viertel vor neun und er bediente sich bereits am Buffet, aber er nahm nur ein Brötchen und einen Kaffee. Im Frühstückssaal lagen auch Zeitungen und Zeitschriften aus. Er nahm sich eine lokale Tageszeitung und das Life Magazine, das gestern neu erschienen war. Er brachte die Sachen an seinen Tisch und setzte sich wieder. Das Brötchen belegte er mit nichts, sondern biss einfach so davon ab. Von Zeit zu Zeit nahm er einen Schluck Kaffee.
Florence verspätete sich. Sie betrat erst kurz vor halb zehn den Frühstückssaal. Sie gab ihm zur Begrüßung wie selbstverständlich einen Kuss auf die Wange. Sie setzte sich und sah ihn an. Er wollte sie schon fragen, ob er ihr etwas holen sollte, Kaffee und Brot oder Brötchen.
»Sie hatte ein Kind«, sagte Florence unvermittelt.
»Ein Kind, wer hatte ein Kind?«
Im ersten Moment wusste Georg nicht, was Florence meinte. Er sah sie irritiert an, dann begriff er plötzlich.
»Julie? Du meinst Julie hatte ein Kind, woher weißt du das?«
»Die Briefe. Ich habe fast die ganze Nacht gelesen. Sie hatte einen Sohn, Tom, er hieß Tom. Die Briefe waren sehr interessant, aber es deckt nur die Jahre von 1912 bis 1927 ab und es wird in keiner Zeile das Ölgemälde erwähnt oder, dass sie Paul Gauguin gekannt hat.«
»Aber die Briefe stammen nicht alle von ihr?«, fragte Georg. »Den Brief, den du gestern bei den Dearsts vor gelesen hast, den hatte doch offenbar Victor an Julie geschrieben.«
»Nein, das heißt ja, also die Briefe stammen fast alle von Julie. Es gibt aber auch Briefe, die Julie von Victor bekommen hat. Und der Sohn, Tom schreibt ihr auch. Es gibt drei oder vier Briefe, die Tom seiner Mutter geschrieben hat.«
»T om Jasoline«, stellte Georg fest. »Ein neuer Name, ein neuer Hinweis, dem wir nachgehen können.«
»Wir wissen nicht, ob er mit Nachnamen auch Jasoline heißt oder hieß, vielleicht war Julie verheiratet.«
»Sie war nicht verheiratet, zumindest nicht bis 1947 und auch später nicht«, meinte Georg. »Die Dearsts kannten Julie doch nur als Julie Jasoline.«
»Oder sie hat ihren Mädchennamen wiederangenommen. Das Kind hieß auf jeden Fall mit Vornamen Tom, vielleicht eine Abkürzung
Weitere Kostenlose Bücher