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1981 - Richard

1981 - Richard

Titel: 1981 - Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Zeram
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Hillburne Avenue suchten und dort schließlich in einen Wagen stiegen. Georg selbst wäre gern etwas in der Stadt herum gefahren, Florence war aber immer noch müde. Sie wollte ins Hotel und sich wenigsten ein oder zwei Stunden hinlegen.
    Im Hotel, an der Rezeption kaufte sich Georg einige Zeitungen, die er auf seinem Zimmer lesen wollte. Sie vereinbarten, sich um halb drei in der Hotellobby zu treffen, um wieder in die Old-Hillburne-Street zu fahren und diesmal neben Jane auch Alfred Dearst anzutreffen. Auf seinem Zimmer begann Georg die Zeitungen zu studieren. Nach einigen Minuten versank er allerdings in Gedanken. Es war bisher ein Puzzle, die Suche nach Julie Jasoline. Ihre Lebensstationen ließen sich allmählich nachzeichnen. Sobald ein Überblick bestand, war es einfach, alles zusammenzufassen. Lebenswege, die sich über Jahre hingezogen hatten, ließen sich schließlich mit ein paar Worten beschreiben. Was sich nicht beschreiben ließ, war das, was ein Mensch empfand wenn er durch sein Leben schritt. Georg dachte über sein eigenes Leben nach. Wenn er sich an etwas erinnerte, dann durchlebte er es zum Teil wehmütig, zum Teil mit dem Gefühl, die ein oder andere Sache hinter sich gebracht zu haben. Aber er wusste auch, dass das momentane Durchleben anders empfunden wird, als es die späteren Erinnerungen vorspielen. Er überlegte, wie er später einmal diese Zeit mit Florence empfinden würde, ob er sich die Augenblicke, die er jetzt einfach vorbeigehen ließ, noch einmal herbeisehnte, um sie intensiver und bewusster erleben zu können, als er es momentan tat. Auch wenn er sich vornehmen würde, alles, was noch käme, gleich mit der Intensität zu erleben, die ihm später seine Erinnerung vorschrieb, so würde es nicht gelingen. Wenn er an das Jetzt dachte, konnte er nicht einmal einschätzen, ob die nächsten Sekunden so aufbereitet werden mussten, dass sie für eine reuelose Erinnerung taugten. Er kam zu dem Schluss, dass die Erinnerung lediglich alles verklärte und dass das Erlebte in dem Moment, in dem es geschah, gar nicht die Kraft hatte, die es in der späteren Erinnerung haben würde. Georg schüttelte den Kopf, wie als wenn er sich aus einem Zustand der Versunkenheit wachrütteln wollte. Er nahm wieder die Zeitung auf. Später schaltete er den Fernseher in seinem Hotelzimmer ein und schaute nach dem, was dieser Teil der Welt seinem TV-Publikum zu bieten hatte.
    Er hatte sich gerade zum Gehen fertig gemacht, als es an seiner Tür klopfte. Er öffnete. Florence stand vor ihm. Sie wollte ihn abholen. Sie hatte sich umgezogen. Er trug immer noch das Hemd und die Hose, die er auf den Marquesas , am Morgen ihrer Abreise angezogen hatte. Nach dem Duschen, vorhin bei ihrer Ankunft im Hotel hatte er lediglich die Unterwäsche gewechselt. Egal, jetzt hatten sie erst einmal etwas anderes vor. Er hoffte, dass Florence glauben würde, er habe mehrere dieser beigefarbenen Hemden. Sie stand in der Tür und sah ihn sekundenlang an. Dann kam sie einen Schritt auf ihn zu, beugte sich nach vorne zu seinem Gesicht und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Sie ging an ihm vorbei ins Zimmer und sah sich um.
    »Ich wollte mal sehen, wie ordentlich du bist«, lachte sie. »Aber du hast ja noch gar nicht richtig ausgepackt.«
    »Ich weiß ja auch nicht, wie lange wir bleiben, vielleicht lohnt sich das Auspacken ja überhaupt nicht.«
    »Männer sind immer so praktisch«, sagte sie spöttisch. Sie ging zum Fenster und schob den Vorhang ein Stück zur Seite. »Dein Zimmer geht zur Straße raus. Von meinem sieht man nur in eine enge Gasse.«
    »Wollen wir tauschen?«, fragte Georg.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe schon ausgepackt«, lachte sie.
    Er ging zu ihr ans Fenster und blickte hinaus auf den Verkehr. Dann sah er sie wieder an, sah wieder in ihre grünen Augen. Er sah sie lange und intensiv an, obwohl er ihr versprochen hatte, es nicht mehr zu tun, oder was hatte er ihr versprochen. Er hätte sich jetzt sogar gewünscht, sie zu küssen, sie richtig zu küssen, aber er tat es nicht, obwohl er nicht sicher war, ob sie es nicht von ihm erwartete. Florence duldete zumindest seinen Blick. Dann neigte sie den Kopf und gab ihm noch einen Kuss auf die Wange.
    »Wollen wir gehen«, fragte sie fröhlich.
    Georg nickte. Florence ging zur Zimmertür, hinaus auf den Flur. Georg folgte ihr und schloss hinter sich ab. Sie gingen hinunter, in die Hotellobby und dann hinaus auf die Straße. Vor dem Hotel fanden sie schnell wieder ein

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