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1981 - Richard

1981 - Richard

Titel: 1981 - Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Zeram
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Europa haben mir schon vor langer Zeit ein Stechen verursacht und ich habe das Gefühl, es geht langsam wieder los. Ich bin deswegen sogar hierher geflüchtet, aber es ist wie ein böser Geist, wie ein Gespenst, es folgt mir, fürchte ich.«
    Sie starrte ihn an, als wenn sie ihn nicht verstanden hätte. »Wir sollten lieber über den Grund meines Kommens sprechen«, sagte sie schließlich.
    Erst jetzt sah er, dass sie etwas mitgebracht hatte. Ihre Tasche hatte er vorher schon gesehen, aber nicht was sich darin befand. Sie holte beides hervor und packte es nacheinander aus. Das eine lehnte sie an einen Pfosten der Veranda, das andere behielt sie in der Hand. Er blickte abwechselnd zu ihr und zu dem Verandapfosten, als sähe er die Bilder das erste Mal.
    »Ich glaube, ich kann erraten, was sie von mir wollen«, sagte er bedächtig. »Ich kann Ihnen aber nicht versprechen, es schnell fertig zu bekommen. Ich brauche meine Zeit, jetzt mehr als früher.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Wir sind bestimmt noch einen Monat hier und dann können sie es uns auch nachschicken, wenn sie noch länger brauchen.«
    *
    In den letzten drei Wochen hatte sie ihn mehrmals besucht, immer im Abstand von ein paar Tagen. Heute saß er konzentriert an einem krummen Holztisch auf seiner Veranda und schrieb etwas. Ein Stapel Papiere lag auf dem Tisch, beschwert mit einem Stein, gegen den leichten Wind, der vom Meer her kam. Das Blatt, auf dem er etwas notierte, war eng beschrieben und kräuselte sich bereits.
    Sie stieg wieder hinauf auf die Veranda. »Was schreiben sie da?«, fragte sie neugierig.
    Er hatte ihr Kommen diesmal nicht bemerkt, hob überrascht den Kopf und sah sie an. »Sie haben mir neuen Schwung gegeben, Madame«, sagte er zögerlich. »Von dem Geld, das ich schon von Ihnen bekommen habe, konnte ich neues Papier kaufen. Es war mir vor einem Monat ausgegangen.« Er überlegte und hielt dabei den Stift in die Höhe. »Ich hätte auch Feder und Tinte kaufen können, aber Graphit ist billiger und ich kann es auch für ihren Auftrag verwenden.«
    »Sie schreiben Briefe, vielleicht an ihre Frau und die Kinder«, sagte sie und trat näher an den Tisch heran.
    »Nein, bestimmt nicht, keine Briefe, keine solchen Briefe mehr, schon lange nicht mehr und ich habe kein schlechtes Gewissen, dass ich es nicht tue. Was ich schreibe wird alle Briefe ersetzen, denke ich. Aber vielleicht wird es auch niemanden interessieren und meine Kinder werden es verachten und nicht lesen. Ich glaube ich schreibe es für mich selbst.«
    »Sie haben Kinder?«, fragte sie, dann stutzte sie. »Natürlich, das Mädchen, die junge Frau, ich hörte es. Sie ist niedergekommen.«
    »Nein, nein, oder doch«, sagte er hastig. »Natürlich ist es auch eines meiner Kinder, die ich genauso liebe, wie die anderen, aber ich meine mehr meine erwachsenen Kinder, die mich nicht mehr kennen, die nicht mehr wissen was aus ihrem Vater geworden ist, die es auch nicht wissen wollen.« Er stutzte erneut. »Es nicht mehr wissen können, weil sie...«
    »Entschuldigen sie, ich wollte nicht...«, sagte sie und stockte.
    »Es ist schon gut. Ich hatte eine erwachsene Tochter, darum war der Schmerz auch so groß.«
    »Der Schmerz, was ist passiert, hat sie sich von Ihnen losgesagt?«
    »Losgesagt«, wiederholte er. »Es war eine Krankheit. Aus meiner Kindheit habe ich in Erinnerung, dass schon meine Großmutter an einer Krankheit gestorben ist, an Typhus. Sie hieß Flora, sie war eine unbequeme Frau, so wie ich ein unbequemer Irrer bin. Es liegt wohl in der Familie, auch das mit der Krankheit. Ich hatte nie Gelegenheit, mir darüber eine eigene Meinung zu bilden. Ich habe meine Großmutter nämlich nicht gekannt, sie mich allerdings auch nicht, sie starb Jahre vor meiner Geburt. Die Tragödien wiederholen sich.«
      »Und ihre Tochter starb ebenfalls an Typhus, oder wollen sie nicht darüber sprechen?«
    »Ich kann über alles sprechen«, sagte er laut. »Ich habe den Schmerz besiegt. Es war kein Typhus, jeder hat seine eigene Krankheit. Es war Tuberkulose, so hat man es mir zumindest geschrieben. Es war ein kurzer Brief aus Dänemark, kennen sie Dänemark?«
    Sie nickte. »Dänemark«, wiederholte sie.
    Sie schwiegen einige Zeit, dann sah sie auf den Stapel Papier. »Soll das ein Tagebuch werden?«
    »Das ist gut erraten«, antwortete er. »Ja, es könnte so etwas wie ein Tagebuch sein. Es sind Erinnerungen. Wissen sie, ich habe Abenteuer erlebt, noch in jungen Jahren, ich bin zur See

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