1981 - Richard
Claudius Brahm ein. »Es bestärkt mich sogar noch in der These, dass die Kleine eine bretonische Bauerntochter ist. Vielleicht hatten ihre Eltern einen Hof am Waldrand oder in der Nähe eines Waldes oder direkt im Wald. Gauguin hat die Person mit in die Südsee genommen, in seinem Gedächtnis versteht sich. Das Aussehen und ihren Namen hat er beibehalten, den Rest hat er seiner neuen Umgebung entsprechend gemalt. So einfach ist das manchmal. Bevor ich mit meinem Gutachten abschließe, werde ich genau diesen Punkt noch einmal überprüfen. Sicherlich werde ich Ihnen nicht sagen können, wer das Mädchen exakt war, aber ich denke, wenn wir einen Bezug zu einem anderen Werk Gauguins herstellen können, das bereits anerkannt ist, dann haben sie auch für dieses Bild einen recht guten Herkunftsnachweis. Zum Thema Herkunftsnachweis überlege ich auch gerade, dass es natürlich ein Glückstreffer wäre, wenn es eine Fotografie gäbe, auf der Gauguin mit diesem Werk hier zu sehen ist. Von der ersten Südseereise hat er seine Bilder mit nach Frankreich gebracht. Er hatte sich im Winter 1894 wieder ein Atelier in Paris genommen. Es gibt eine Fotografie, die ihn im Vordergrund, im Profil zeigt. Im Hintergrund ist leicht verschwommen das Gemälde Die Schmollende oder Te Faaturuma zu sehen. So etwas ist selbstverständlich ein super Herkunftsnachweis.«
»Wenn so etwas auftaucht, dann ist das natürlich optimal«, sagte Simon. Er überlegte. »Natürlich wäre es mir lieber, wenn gleich das ganze Bild irgendwo bekannt ist. All das, was sie eben ausgeführt haben, kann selbstverständlich auch ein geschickter Fälscher wissen und es verwenden, um die Täuschung zu perfektionieren, selbst mit Fotografien lässt sich heute einiges machen.«
Claudius Brahm zuckte mit den Schultern. »Ich kann Ihnen nur eine Sachverständigenmeinung liefern. Ich sagte ja bereits, dass es stark auf die Ergebnisse der Laboranalysen ankommt. Wenn auch nur der kleinste Zweifel besteht, dass zum Beispiel in den Farben etwas drin ist, was da nicht hinein gehört, würde ich an ihrer Stelle sehr vorsichtig sein, egal wie mein Stilgutachten ausfällt, wobei mein Gutachten dann natürlich auch ein entsprechendes Fazit beinhalten wird.« Claudius Brahm überlegte. »Natürlich kann auch mit den Materialanalysen nicht zweifelsfrei die Echtheit des Bildes nachgewiesen werden. Kennen sie den Fall des doppelten van-Gogh-Protraits?«
»Nein, nicht genau, was meinen sie?«, fragte Simon.
»Es ging um einen van Gogh aus den Bührle-Sammlungen in Zürich. Es gab ein Selbstbildnis, das van Gogh im Sommer 1888 ursprünglich sogar für Paul Gauguin gemalt hatte. Der Industrielle Emil Georg Bührle glaubte in den dreißiger oder vierziger Jahren eine Zweitfassung ersteigert zu haben. Es existieren aber eindeutige Dokumente, die belegen, dass es nie eine Zweitfassung aus van Goghs Hand gegeben hat und dass das besagte Bild von einer gewissen Judith Gérard stammte. Diese Dame war mit Gauguin bekannt. Vor seiner zweiten Südseereise hat Gauguin das Original des van-Gogh-Portraits bei ihrem Stiefvater zur Aufbewahrung gelassen. Aus irgendeinem Grund hat sich Madame Gérard an dem Bild versucht und die Zweitfassung gemalt. Laut ihrer eigenen Aussage hat sie ihr Werk aber aufrichtig mit ihrem eigenen Namen signiert. Erst Jahre später fand sie das van-Gogh-Portrait dann leicht verändert in einer Ausstellung wieder. Am ungeheuerlichsten war aber, dass ihre eigene Signatur durch eine gefälschte van-Gogh-Signatur übermalt worden war. Es ist also der klassischer Fall einer Fälschung, mit dem Unterschied, dass der Schwindel eigentlich bekannt war und dieser Herr Bührle es hätte wissen können, als er mehrere zehntausend Franken für die Fälschung hingelegt hat.«
»Gut, sie meinen, unser Gauguin könnte eine ähnliche Historie haben«, stellte Simon fest.
Claudius Brahm schüttelte den Kopf. »Entschuldigung, ich wollte etwas ganz anderes sagen. Madame Gérard war eine Zeitgenossin van Goghs und auch Gauguins. Ihr Bild hätte bei einer Materialuntersuchung glänzend abgeschnitten. Es stammte aus der Zeit um 1899. Sie hat natürlich Zugriff auf die Farben und Leinwände jener Zeit gehabt und auch das Alter ihres Gemäldes stimmt in etwa mit der Schaffenszeit van Goghs überein, sie verstehen, was ich meine?«
Simon überlegte. »Obwohl ihre Geschichte sicherlich eine Ausnahme ist, werden wir natürlich auch so etwas in Betracht ziehen, nicht umsonst betreiben wir
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