1981 - Richard
noch einmal auf die Signatur und den Titel des Bildes. Er vergrößerte diesen Ausschnitt noch weiter, aber die Auflösung wurde zunehmend unschärfer. Er kopierte sich die Datei schließlich auf seinen Computer, in einen neuen Ordner. Dann löschte er die Fotographie des Ölgemäldes von der Speicherkarte, nahm sie aus dem Lesegerät und steckte sie zurück in die Kamera. Er wollte Colette den Fotoapparat wieder nach Hause mitbringen, weil er nicht wusste, ob sie ihre eigenen Bilder selbst schon gespeichert hatte. Er verstaute den Apparat in seiner Aktentasche. Dann holte er aus der untersten Schublade seines Schreibtisches eine dünne Mappe. Es waren die Unterlagen zu dem Ölgemälde, die ihm Edmund Linz gestern vorbei gebracht hatte. Es handelte sich sowohl um den von Edmund Linz selbst angefertigten Laborbericht, als auch um das Gutachten von Professor Lehner aus Augsburg. Er hatte den zweiseitigen Bericht kopiert, bevor Heinz Kühler ihn mitgenommen hatte. Er zog die beiden Gummibänder ab, die die Mappe an jeder Ecke geschlossen hielten, zog die Papiere heraus und legte sie vor sich auf den Schreibtisch. Er fing mit dem Gutachten von Professor Lehner an. Er las sich noch einmal alles in Ruhe durch. Heute Nachmittag sollte eine zweite Expertise angefertigt werden. Diesen Bericht würde der neue Gutachter aber vorher nicht zu sehen bekommen. Simon lehnte sich in seinen Schreibtischstuhl zurück und überlegte. Das Labor würde demnächst auch Materialproben erhalten. Wenn alles auf die Echtheit des Bildes hinwies, würde es die Aufgabe des Kunst- und Auktionshauses Blammer sein, einen Herkunftsnachweis für das Bild zu finden. Hierfür gab es verschiedene Möglichkeiten. Der einfachste Weg war herauszufinden, ob das Bild jemals in irgendeiner Galerie ausgestellt war oder ob es ein Museum oder eine Privatsammlung gab, zu deren Bestand es einmal gehörte, auch wenn Edmund Linz dies bezweifelte. Warum eigentlich, dachte Simon. Es war egal, sie würden diese erste Möglichkeit in Betracht ziehen. Bei der Recherche ging es um Ausstellungskataloge. Wenn das Ölgemälde in einem dieser Kataloge beschrieben oder sogar abgebildet war, so galt dies als Herkunftsnachweis. Am eindeutigsten war aber die lückenlose Historie eines Kunstwerkes. Der Künstler stellt sein Werk selbst aus, verkauft es und es gibt vielleicht auch noch Korrespondenz zwischen ihm und den späteren Eigentümern. Simon erinnerte sich an ein Ölbild von Claude Monet, das der Kunsthalle Bremen gehörte. Es war ein großformatiges Gemälde, das Camille Doncieux, die erste Frau Monets, in einem schwarz-roten Seidenkleid darstellte. Simon erinnerte sich, dass das Bild von 1866 stammte und erst 1906 vom Kunstverein Bremen gekauft wurde. Das tolle daran war, dass zwischen dem damaligen Kunsthallendirektor Gustav Pauli und Claude Monet eine Korrespondenz existierte, in der Monet sein eigenes Werk und dessen Werdegang beschrieb. Es war ein perfekter Herkunftsnachweis.
Simon las sich die Expertise von Professor Lehner ein zweites Mal durch, hier gab es nichts über die Herkunft des Gemäldes. Er dachte weiter nach. Bei der Überprüfung von Galerien war es schwieriger einen Herkunftsnachweis zu recherchieren. Galerien wurden zu meist privat betrieben. Es waren kleine Unternehmen, die auch kommerziell mit den Bilder umgingen, die bei Ihnen ausgestellt waren. Es war ein wenig so wie bei dem Kunst- und Auktionshaus Blammer, nur das Simon in seiner Firma keine Ausstellungen organisierte oder durchführte. Im Gegensatz zu einer Galerie bewahrten Museen ihre Dokumentation natürlich sorgfältig auf. Bei einer Galerie konnte so etwas verloren gehen, wenn sie unter Umständen im Laufe der Zeit von ihren Betreibern aufgegeben wurden und dann nicht mehr existierte.
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Simon hatte eigentlich gehofft, dass Claudius Brahm ihm die Arbeit mit dem Herkunftsnachweis abnehmen würde. Claudius Brahm hatte Restaurator gelernt und dann Kunstwissenschaften studiert. Er war noch keine vierzig und damit einer der jüngeren Sachverständigen in der Branche, was sich auch immer an seiner Kleidung ablesen ließ. Er trug selten einen Anzug oder Krawatte und war auch heute wieder in einem lässigen schwarzen Hemd und Bluejeans erschienen. Er war Experte für Kunstwerke des späten Neunzehntenjahrhunderts. Er hatte darauf verzichtet, an einer Universität zu arbeiten und gar mit einer Promotion sein Fachwissen zu dokumentieren. Er arbeitete sofort nach seinem Studium als unabhängiger
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