1981 - Richard
Original ist, so braucht das keinen Wert zu haben. Sobald im Labor festgestellt wird, dass der Künstler seine Farben bei Aldi gekauft hat und die Leinwand eine nylonverstärkte Bespannung hat, erübrigt sich mein Gutachten. Ich würde allerdings bei dem, was ich bisher gesehen habe, den Hut vor unserem Künstler ziehen, wenn es wirklich eine Fälschung sein sollte. Aber um ihre Frage zu beantworten, ich kenne das Werk nicht. Ich habe auch noch nie über exakt dieses Motiv gelesen oder etwas Ähnliches gesehen.«
»Aber das will nichts heißen, wollen sie mir sagen«, meinte Simon.
»Wissen sie, wie viele Bilder Gauguin gemalt hat oder van Gogh«, erklärte Claudius Brahm. »Ich glaube, das weiß keiner so genau. Es gibt zwar Künstler, die noch zu ihren Lebzeiten anerkannt waren und auch gut verkauft haben und bei denen man ziemlich genau weiß, was sie alles produziert haben. Für Gauguin trifft das sicherlich nicht zu. Unser Bild hier stammt von 1902. Da hat er nicht gerade in paradiesischen Verhältnissen im sogenannten Paradies auf einer kleinen Insel im Pazifik gelebt oder besser gesagt dahinvegetiert. Wer weiß wem er dieses Bild geschenkt hat oder wenn er Glück hatte, verkaufen konnte. Für uns ist Gauguin heute ein bekannter Künstler, aber noch in den zwanziger Jahren war er das bei weitem nicht. Welchen Weg hat dieses Bild hinter sich? Vor dem ersten Weltkrieg hing es vielleicht in irgendeinem Wohnzimmer. Danach hat es nicht mehr gefallen oder das Format passte nicht zur Breite der Sitzgruppe, man wollte ein größeres Bild, vielleicht mit einem Hirsch darauf.« Claudius Brahm lachte kurz über seine eigene Bemerkung. »Es kann natürlich auch bei einem Umzug verloren gegangen sein«, fuhr er fort. »Mit viel Fantasie lässt sich noch mehr zu diesem Thema finden. Wenn es dann später einmal wieder entdeckt wurde, hat bestimmt zunächst niemand ernsthaft damit gerechnet, dass das Bild ein echter Gauguin sein könnte. Vielleicht eine schöne Reproduktion, die man behält oder verschenkt oder, um Gottes Willen, auf dem Flohmarkt verkauft. Ich glaube kaum, dass ein Privatmann gleich einen Sachverständigen beauftragt und in einem Labor Analysen durchführen lässt. Sie sehen also, es kann durchaus passieren, dass nicht jeder Gauguin zwangsläufig in einem Museum oder in einer bekannten Privatsammlung landen muss. Wie gesagt, mein Urteil steht noch nicht abschließend fest, aber so ein Schicksal kann unserem Bild hier natürlich auch widerfahren sein, denkbar ist es.«
Simon nickte. »Also das Jahr, mit dem das Bild datiert ist, kann demnach authentisch sein?«
»Wenn Gauguin im Jahre 1902 das Pariser Nachtleben gemalt hätte, dann wäre das schon sehr ungewöhnlich, ich sage nicht unmöglich«, erklärte Claudius Brahm. »Das Motiv und die Jahreszahl scheinen authentisch. Die Strandszene passt zu der Pazifikinsel, von der ich gesprochen habe.«
»Welche Insel?«, fragte Heinz Kühler. »Helfen sie mir bitte auf die Sprünge, ich weiß nur, dass er nicht auf Tahiti gestorben ist.«
»M arquesas , Hiva Oa« , sagte Cladius Brahm trocken. »Gauguin wurde auf Hiva Oa , auf dem katholischen Friedhof des Ortes Atuona beerdigt.« Er senkte kurz die Kopf. »Asche über mein Haupt, ich bin allerdings noch nie dort gewesen, das kann ich mir bei meinem Gehalt nicht leisten.«
Claudius Brahm sah Heinz Kühler an, der ihm zustimmte. Simon dachte kurz an Florence Uzar. Die Freundin von Colette kam von den Marquesas und vielleicht würde Simon mit Colette und Marc das nächste Weihnachtsfest dort verbringen. Er hatte hinter diese Planungen zwar bisher noch immer ein großes Fragezeichen gesetzt, doch jetzt schien es ihm wieder sehr interessant zu sein.
Claudius Brahm räusperte sich. »Gut, Gauguin hat also Elemente aus seiner Umgebung verwendet. Das kleine Mädchen kann allerdings eine Bauerntochter aus der Bretagne sein. Vielleicht taucht sie in irgendeinem anderen seiner Bilder auf, aber dann eben nicht mit diesem Sonnenhut, sondern vielleicht mit einer dieser typischen Hauben und sie trägt ein grobes Arbeitsgewand und nicht dieses eher luftige Kleidchen. So etwas kann man sicherlich nachprüfen und ich werde auch Stichproben machen, vielleicht finden wir dadurch ja sogar schon heraus, wer diese Julie ist.«
»Und was sagen sie überhaupt zu dem Titel des Bildes?«, fragte Heinz Kühler. »J ulie des Bois . Das passt doch eigentlich nicht zu dem, was das Bild zeigt.«
»Auch das hat nichts zu sagen«, warf
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