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1984 (Kurt Wagenseil: Übers.)

1984 (Kurt Wagenseil: Übers.)

Titel: 1984 (Kurt Wagenseil: Übers.) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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entwickelten sich weiter, aber Experiment und Erfindung haben so gut wie aufgehört, und die Verheerungen des Atomkrieges der Jahre nach neunzehnhundertfünfzig wurden nie wieder ganz wettgemacht. Nichtsdestoweniger sind die der Maschine innewohnenden Gefahren noch immer vorhanden. Von dem Augenblick an, als die Maschine zum erstenmal in Erscheinung trat, war es für alle denkenden Menschen klar, daß die Notwendigkeit der Mühsal, und damit zum großen Teil auch die Ungleichheit der Menschen, erledigt waren. Wenn die Maschine wohlüberlegt mit diesem Ziel vor Augen in Dienst gestellt wurde, dann konnten Hunger, Überstunden, Schmutz. Elend, Unbildung und Krankheit in ein paar Generationen überwunden werden. Und tatsächlich hob die Maschine, ohne für einen solchen Zweck eingesetzt zu werden, sondern durch eine Art automatischen Prozeß – indem sie nämlich einen Überfluß produzierte, den zu verteilen sich manchmal nicht umgehen ließ – während eines Zeitraums von ungefähr fünfzig Jahren am Ende des neunzehnten und am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts den Lebensstandard des Durchschnittsmenschen sehr beträchtlich.
    Aber es war auch klar, daß ein allgemein wachsender Wohlstand das Bestehen einer hierarchisch geordneten Gesellschaft bedrohte, ja tatsächlich in gewisser Weise ihre Auflösung bedeutete. In einer Welt, in der jedermann nur wenige Stunden arbeiten mußte, in der jeder genug zu essen hatte, in einem Haus mit Badezimmer und Kühlschrank wohnte, ein Auto oder sogar ein Flugzeug besaß, in einer solchen Welt wäre die augenfälligste und vielleicht wichtigste Form der Ungleichheit bereits verschwunden. Wurde dieser Wohlstand   erst einmal Allgemeingut, so bedeutete er keine Vorzugsstellung mehr. Es war zweifellos möglich, sich eine Gesellschaftsordnung vorzustellen, in der Wohlstand im Sinne von persönlichem Besitz und Luxusartikeln gleichmäßig verteilt war, während die Macht in den Händen einer kleinen privilegierten Schicht lag. Aber in der Praxis würde eine solche Gesellschaftsordnung nicht lange Bestand haben. Denn sobald alle gleicherweise Muße und Sicherheit genossen, würde die große Masse der Menschen, die normalerweise durch die Armut abgestumpft war, sich heranbilden und selbständig denken lernen. Und war es erst einmal soweit, so würden sie früher oder später dahinterkommen, daß die privilegierte Minderheit keine Funktion hatte, und würden sie beseitigen. Auf lange Sicht war daher eine hierarchisch geordnete Gesellschaft nur auf einer Grundlage von Armut und Unbildung möglich.
    Zu einer ackerbautreibenden Vergangenheit zurückzukehren, wie es einige Denker zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts erträumten, war keine ausführbare Lösung. Sie stand im Widerspruch mit der fast auf der ganzen Welt gleichsam instinktiv gewordenen Mechanisierungstendenz, und außerdem war jedes industriell zurückgebliebene Land in militärischer Hinsicht hilflos und dazu verurteilt, direkt oder indirekt von seinen fortschrittlichen Rivalen beherrscht zu werden.
    Auch war es keine befriedigende Lösung, die Massen dadurch in Armut zu erhalten, daß man die Herstellung von Gebrauchsgütern abdrosselte. Das war in weitgehendem Maße während der letzten Phase des Kapitalismus, ungefähr zwischen den Jahren 1920 und 1940, geschehen. In vielen Ländern ließ man die Wirtschaft zum Stillstand kommen, die Felder blieben unbebaut, veraltete Maschinen wurden nicht ergänzt, große Teile der Bevölkerung wurden der Arbeit entfremdet und durch staatliche Unterstützung gerade noch am Leben gehalten. Aber auch das brachte militärische Schwäche mit sich, und da die damit verbundenen Opfer offensichtlich unnötig waren, erhob sich unvermeidlich eine Opposition. Das Problem bestand darin, die Räder der Industrie sich weiter drehen zu lassen, ohne den wirklichen Wohlstand der Welt zu erhöhen.
    Verbrauchsgüter mußten zwar produziert, durften aber nicht unter die Leute gebracht werden. Und in der Praxis war der einzige Weg, dieses Ziel zu erreichen, eine immerwährende Kriegführung.
    Die Hauptwirkung des Krieges ist die Zerstörung, nicht notwendigerweise von Menschenleben, sondern von Erzeugnissen menschlicher Arbeit. Der Krieg ist ein Mittel, um Materialien, die sonst dazu benützt werden könnten, die Massen zu bequem und damit auf lange Sicht zu intelligent zu machen, in Stücke zu sprengen, in die Stratosphäre zu verpulvern oder in die Tiefe des Meeres zu versenken. Sogar wenn nicht wirklich

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