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1984 (Kurt Wagenseil: Übers.)

1984 (Kurt Wagenseil: Übers.)

Titel: 1984 (Kurt Wagenseil: Übers.) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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umfaßt den gesamten nördlichen Teil der europäischen und asiatischen Landmasse von Portugal bis zur Bering-Straße.
    Ozeanien umfaßt die beiden Amerika, die Inseln im Atlantischen Ozean einschließlich der Britischen Inseln, Australien und den südlichen Teil von Afrika. Ostasien, kleiner als die beiden anderen und mit einer weniger festumrissenen Westgrenze, umfaßt China und die südlich davon gelegenen Länder, die Japanischen Inseln und einen großen, aber fluktuierenden Teil der Mandschurei, der Mongolei und Tibets.
    In der einen oder anderen Gruppierung liegen diese drei Super-Staaten ständig miteinander im Krieg, wie sie sich auch während der letzten fünfundzwanzig Jahre dauernd bekämpften. Krieg ist jedoch nicht mehr der verzweifelte Vernichtungskampf wie in den Anfangsjahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts. Er ist ein Waffengang mit beschränkten Zielen zwischen Kämpfenden, die nicht die Macht besitzen, einander zu vernichten, keinen materiellen Kriegsgrund haben und durch keinen echten ideologischen Unterschied getrennt sind. Das will nicht besagen, daß die Kriegführung oder die vorherrschende Einstellung dazu weniger blutrünstig oder ritterlich geworden wäre. Im Gegenteil, die Kriegshysterie wütet ständig und allgemein in allen Ländern, und Untaten wie Notzucht, Plünderung, Kindermord, Verschleppung ganzer Bevölkerungsteile in die Sklaverei, dazu Repressalien gegen Gefangene, die sogar soweit gehen, sie bei lebendigem Leib zu sieden und zu verbrennen, werden als normal und, wenn sie von der eigenen Seite und nicht vom Feind begangen werden, als verdienstlich angesehen. Aber mit ihrem Leben ist nur eine sehr geringe Anzahl von Menschen, größtenteils hochgeschulte Spezialisten, unmittelbar in die Kriegshandlungen verwickelt, und die durch sie verursachten Verluste an Gefallenen sind verhältnismäßig gering. Der Kampf, wenn überhaupt einer stattfindet, spielt sich an den undeutlich umrissenen Grenzen ab, deren Lage der einfache Mann nur mutmaßen kann, oder im Bereich der Schwimmenden Festungen, die strategische Punkte der Seewege einnehmen. In den Zivilisationszentren bedeutet der Krieg nur eine dauernde Kürzung der Gebrauchsgüter und den gelegentlichen Einschlag einer Raketenbombe, der vielleicht ein paar Dutzend Menschen zum Opfer fallen. Der Krieg hat in der Tat sein Wesen völlig gewandelt. Genauer gesagt haben sich die Gründe, um derentwillen Krieg geführt wird, in der Rangordnung ihrer Wichtigkeit geändert. Beweggründe, die bereits in bescheidenen Ausmaßen bei den großen Kriegen zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts mitsprachen, sind jetzt an die erste Stelle gerückt und werden bewußt anerkannt und in Rechnung gestellt.
    Um das Wesen des gegenwärtigen Krieges zu verstehen – denn trotz der alle paar Jahre erfolgenden Umgruppierung handelt es sich immer um denselben Krieg –, muß man sich vor allem vergegenwärtigen, daß er unmöglich entschieden werden kann. Keiner der drei Superstaaten könnte, sogar unter Zusammenschluß der beiden anderen, endgültig unterworfen werden. Sie sind zu gleichmäßig stark und ihre natürlichen Verteidigungsmittel zu gewaltig. Eurasien ist durch seine riesigen Landflächen geschützt, Ozeanien durch die Ausdehnung des Atlantischen und des Pazifischen Ozeans, Ostasien durch die Gebärfreudigkeit und den Fleiß seiner Bewohner. Zweitens gibt es in materieller Hinsicht nichts mehr, um das man kämpfen könnte. Mit Einführung der Autarkie, bei der Produktion und Verbrauch aufeinander abgestellt sind, ist die Jagd nach Absatzmärkten, die eine Hauptursache früherer Kriege war, beendet, während der Wettstreit um Rohstoffe keine Existenzfrage mehr ist. Jedenfalls ist jeder der drei Super-Staaten so groß, daß er fast alle von ihm benötigten Materialien innerhalb seiner eigenen Grenzen finden kann.
    Soweit der Krieg einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zweck hat, ist es ein Krieg um Arbeitskräfte.
    Zwischen den Grenzen der Super-Staaten und nicht in dauerndem Besitz eines derselben liegt ein annähernd viereckiges Gebiet, dessen Ecken von Tanger, Brazzaville, Darwin und Hongkong gebildet werden und das etwa ein Fünftel der Gesamtbevölkerung der Erde enthält. Um den Besitz dieser dichtbevölkerten Landstriche und den der nördlichen Eiszone geht der dauernde Kampf der drei Mächte. In der Praxis beherrscht keine der Mächte jemals das gesamte strittige Gebiet. Teile davon wechseln dauernd den Besitzer, und die durch einen

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