1986 Das Gift (SM)
Azul, und dann geht es landeinwärts über Uruapan, Morelia und Toluca zur Hauptstadt.«
»Das sind gut und gern zweitausend Kilometer!«
»Nein, tausendvierhundert. Aber bestimmt ist es eine Strecke, auf der kaum kontrolliert wird. Hast es doch erlebt: Auf der Küstenstraße gibt es nur die Sperre am Stadtrand! Und in México City nehmen wir uns eine Wohnung in einem Mietblock. Ich verspreche dir, sobald wir uns da eingenistet haben, hast du wieder einen Optimisten an deiner Seite.«
»Aber wir können doch die Dollars nicht in Umlauf setzen!«
»Tun wir auch nicht. In ein paar Tagen fliegst du nach Panama und tauschst sie um, und zwar bei den Leuten, die später auch das große Geschäft mit uns machen.«
»Und die Kontrollen am Flughafen?«
»Diese kleinen Packen kannst du ohne Bedenken in die Jackentasche stecken. Wenn du zurückkommst, haben wir hundertfünfzigtausend saubere Dollars. Davon können wir ein, zwei Jahre fürstlich leben, und dann holen wir uns den großen Rest. Bist du einverstanden?«
»Und wenn mich jemand beim Ausgraben beobachtet?«
»Jetzt muß ich dich mit deinen eigenen Argumenten überzeugen: Du kannst dich frei bewegen, dein Foto hängt nirgendwo aus, du bist ein x-beliebiger Tourist. Wieso also sollte dir jemand auf den Fersen sein?«
»Okay, wir machen es! Ich bin morgen abend gleich nach dem Dunkelwerden wieder hier!«
16.
Wie vielfältig Polizeiarbeit sein konnte, hatte Paul Wieland während der vergangenen sieben Tage persönlich erfahren. Er hatte an den über Sprechfunk mit den Erpressern geführten Verhandlungen teilgenommen, hatte einundzwanzig Millionen Dollar über die bahía transportiert, die Landung der FLECHA bei der Chantengo Lagune erwartet und statt ihrer die Explosion der Yacht miterlebt, war nach Wiesbaden geflogen, hatte Bestellzettel im Hotel LAS HAMACAS überprüft und aus drei Portionen langostinos a la parilla einen falschen Schluß gezogen. Er war nach Los Órganos gefahren, um sich wie Hühnerfutter ausgestreute Module anzusehen, war Leichenbeschauer gewesen, hatte unzählige Gespräche mit dem Polizeichef geführt und leichte Mädchen eingesammelt. Jetzt erlebte er eine neue Variante: Seit anderthalb Stunden saß er in einem kleinen Wald am Fuße des Cerro Teotepec , nahe der Straße, und starrte aus der Deckung heraus auf einen unter Bäumen und Büschen versteckten CHRYSLER. Er machte sich Sorgen, weil Manolo noch immer nicht zurückgekehrt war.
Hals über Kopf waren er und sein indianischer Helfer zu ihrem Einsatz gekommen. Der Mann in dem CHRYSLER hatte noch bei Tageslicht das EL CANO verlassen, die Stadt durchfahren und sich auf den westlichen Ausgang zubewegt.
»Wahrscheinlich fährt er wieder nach Atoyac und dann in die Sierra«, hatte Jerónimo gesagt. »Natürlich, die Routineverfolgung läuft, aber weil es vielleicht auch auf die Nebenstrecke geht, will ich diesmal einen Ortskundigen dabeihaben. Du hast mir mal erzählt, dein bester Mann im REFUGIO ist ein guerrero aus Puerto del Gallo, der zwischen Atoyac und Chilpancingo jeden Grashalm kennt.«
Sie hatten dann einen Plan entwickelt, der vorsah, den Mann im CHRYSLER durch verschiedene Wagen verfolgen zu lassen, damit er auf keinen Fall Verdacht schöpfte. Mit dem VWBus und dem Jeep aus dem REFUGIO sollten Paul Wieland und Manolo an der Überwachung teilnehmen. Aber der CHRYSLER war zu diesem Zeitpunkt schon kurz vor der Kontrollstation gewesen. Wie konnten da die beiden anderen Fahrzeuge noch rechtzeitig herangeführt werden? Jerónimo hatte gewußt, was zu tun war. »Laß dir von Margarita eine Straßenkarte geben«, hatte er gesagt, »eine vom ganzen Staat Guerrero!« Und als Paul Wieland dann nach wenigen Minuten ins Zimmer zurückgekehrt war, hatte der Chef die Weichen schon gestellt.
»Hab’ eben telefoniert. Es klappt. Sie halten den Mann auf, ohne daß er merken wird, was los ist.«
»Wie denn das?«
»Ganz einfach! Sie halten nicht ihn auf, sondern irgendeinen Fahrer vor ihm. Da er in der Schlange steckt, muß er warten; aber er weiß nicht, daß es in Wirklichkeit um ihn geht.«
Auf diese Weise war der mit drei Wagen geplante Einsatz zustande gekommen, und als der CHRYSLER in ein Waldstück abgebogen war, hatten die Verfolger sich über Funk darauf verständigt, daß nur Wieland und Manolo aussteigen und den Mann aus der Nähe überwachen sollten. Das Polizeifahrzeug hatte sich etwa fünfhundert Meter weit in Richtung Puerto del Gallo zurückgezogen.
Wieland sah auf die Uhr. Nun saß
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