1986 Das Gift (SM)
er schon fast zwei Stunden hier! Manolo war dem Mann gefolgt. Er selbst hatte mehrmals Sprechkontakt zum Polizeiauto aufgenommen, um einen Lagebericht durchzugeben, der allerdings immer denselben Wortlaut gehabt hatte: »Der Verdächtige und unser Mann sind noch nicht zurück.« Jetzt dachte er: Sollte Manolo aufgefallen und überwältigt worden sein? Was, wenn nun …
Er hörte Schritte, hörte gleich darauf, wie die Autotür geöffnet und wenig später behutsam geschlossen wurde. Der Motor sprang an. Der CHRYSLER setzte zurück. Erst auf der Straße gingen die Lichter an, und dann fuhr er davon, Richtung Puerto del Gallo.
Und noch einmal Schritte und dann der erlösende Ruf:
» Don Pablo!«
Dort, wo der CHRYSLER gestanden hatte, trafen sie aufeinander. Paul Wieland packte Manolo bei den Schultern, schüttelte ihn. »Ich hatte Angst um dich«, sagte er.
»Er ist mit einem anderen …«
»Warte, ich muß die anderen verständigen!«
Er gab den Polizisten die Nachricht durch, daß der Wagen sich in Richtung Küste bewege, und dann sagte er zu Manolo:
»Nun erzähl!«
»Also, er traf sich mit einem anderen in diesem Wald, ungefähr einen Kilometer weg von der Straße.«
»Hast du sie sprechen hören?«
»Ja. Deutsch. Ich höre so viel Deutsch im Hotel, daß ich ganz sicher bin. Die beiden sind auf den Berg gegangen, mit den Tüten, die er hier ausgeladen hatte. Es war nicht leicht, ihnen zu folgen, weil der Hang ziemlich kahl ist. Aber ich hab’s geschafft und weiß jetzt, wo der andere sein Versteck hat. In einer Höhle, ich schätze, zwei Kilometer von hier entfernt. Die kenn’ ich von früher her.«
»Und du bist sicher, daß er jetzt da oben ist?«
»Ganz sicher. Als die beiden wieder nach unten gingen, bin ich ihnen nicht gleich gefolgt, sondern hab’ mir erst die Höhle angesehen, hab’ jede Menge Eßwaren gefunden und Wasserflaschen und auch eine Hängematte.«
»Und zufällig auch einundzwanzig Millionen Dollar?«
»Nein.«
»War auch nicht zu erwarten. Aber da fehlt dann ja immer noch ein Mann!«
»Ja. Und weil ich dachte, der ist in der Höhle, hab’ ich mich auch nur ganz vorsichtig rangeschlichen. Und dann hab’ ich gepfiffen. Das war nämlich das Signal zwischen den beiden, bevor sie hier unten zusammentrafen. Als keine Antwort kam, bin ich reingekrochen, hab’ mir alles angesehen und bin danach den beiden gefolgt. Hier unten haben sie sich getrennt, genau da, wo sie sich getroffen hatten. Der eine ging zum Auto, der andere zurück auf den Berg.«
»Manolo, du warst große Klasse!«
»Wollen wir uns den Mann holen?«
»Was meinst denn du?«
»Ich meine, daß Sie das vorhaben, denn sonst hätten Sie den Polizisten gesagt, daß da einer auf dem Berg sitzt.«
»Und woher weißt du, daß ich das nicht gerade jetzt tun will?«
»Weil ich immer noch nicht sehe, daß Sie es tun.«
»Wir haben nur eine Waffe, nämlich meine MARLEY.«
»Und mein Messer.«
»Nach welcher Seite ist die Höhle offen?«
»Nach hier. Im Mondlicht kann er den ganzen Hang überblicken.«
»Und wie kommen wir dann an ihn heran?«
»Von oben. Es dauert, von hier aus gerechnet, drei bis vier Stunden, aber anders geht es nicht. Wenn wir von vorn kommen, sieht er uns, und bestimmt schießt er dann sofort.«
»Ja, das würde er tun.«
Wenn ich jetzt die beiden Polizisten verständige, dachte Paul Wieland, werden sie zwar nicht herkommen, weil sie den CHRYSLER verfolgen müssen, aber wahrscheinlich alarmieren sie ihre Kollegen in Atoyac. Dann rückt ein ganzer Trupp an und verscheucht uns den Mann. Und womöglich gelingt es ihm zu entkommen!
»Was überlegen Sie, don Pablo?«
Wieland drückte noch einmal auf die Taste des Sprechfunkgerätes, und als die Verbindung hergestellt war, sagte er: »Wir nehmen den anderen Weg, fahren über Chilpancingo.«
»Okay«, lautete die Antwort, »wir folgen weiterhin dem CHRYSLER. Ende.«
Und dann sagte Paul Wieland: »Also, Manolo, es geht los!«
Gegen ein Uhr – sie hatten den Teotepec von Norden her erstiegen – fragte Paul Wieland: »Wie wär’s mit einer kurzen Rast?«
»Gut. Danach wird es auch leichter, weil es bergab geht. Aber wir müssen aufpassen, daß wir kein Geröll in Bewegung setzen.«
»Wie weit ist es noch?«
»Nicht mehr weit. Sieben-, achthundert Meter.«
Sie rauchten eine Zigarette.
»Und du kennst diese Gegend von früher her?«
»Ja. Wir hatten hier unsere Ziegenherde, und die hab’ ich oft
gehütet. Damals kannte ich Acapulco noch nicht. Mit fünfzehn sah ich die Stadt zum
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