1986 Das Gift (SM)
erstenmal, und als ich achtzehn war, stellten Sie mich in Ihrem REFUGIO ein.«
Sie standen auf, setzten ihren Weg fort. Sie kamen nur langsam voran, tasteten den Boden mit den Füßen ab, bevor sie zutraten.
Nach einer halben Stunde hielten sie erneut. Manolo zeigte voraus, und dann flüsterte er: »Dieses letzte Stück ist ziemlich steil, und an seinem Ende gibt es eine dicke Steinplatte. Sie ist das Dach der Höhle. Wenn wir jetzt auch nur ein winziges Steinchen in Bewegung setzen, ist es aus. Vielleicht rollt es ihm nicht gerade vor die Füße, aber er würde es auf jeden Fall hören. Darum scheren wir aus und kommen von der Seite.«
So näherten sie sich der Höhle im Bogen, standen schließlich verborgen hinter einem der wuchtigen Steine, die die Eingangspfosten bildeten und um die die Taue der Hängematte geschlungen waren.
Ganz langsam drückte Manolo seinen Oberkörper am Stein vorbei, so weit, daß er den Eingang zur Höhle vor sich hatte. Der Platz lag im Dunkel, da die überhängende Dachplatte das Mondlicht abschirmte. Es dauerte eine volle Minute, bis er sich zurückwandte und seinen Mund ganz nah an Paul Wielands Ohr schob.
»Er schläft. In der Hängematte.«
»Wo ist sein Kopf?« Fast unhörbar hatte Paul Wieland die Frage geflüstert.
»Auf dieser Seite.«
Wieder drückte Manolo seinen Oberkörper am Stein vorbei, und dann sah Paul Wieland, der dicht hinter ihm stand, die Hand mit dem Messer, sah die Klinge um den Stein herumwandern.
» Por dios! Nicht töten!«
»Nein, nur das Tau kappen.«
»Gut.«
Und dann hörte er – so schnell hatte er nicht damit gerechnet – den Schnitt, hörte gleich darauf den Schrei und den Aufprall des Körpers auf den steinernen Boden. Als er einen Schritt nach vorn machte und die Taschenlampe aufblitzen ließ, saß der Mexikaner, der blitzschnell auch das Tau auf der anderen Seite durchschnitten haben mußte, rittlings auf dem von der Hängematte umschlossenen Körper. Es war wie eine Jagdszene: Der Berglöwe hat sich im Netz verfangen! Nur daß es hier kein Löwe war, nicht mal ein Fuchs, denn der von dem Geflecht umschlossene Körper zeigte keinerlei Gegenwehr, lag wie erstarrt auf den Steinen.
Manolo schälte den Mann aus den Schlingen, drehte ihn um und band ihm mit dem Haltetau die Hände auf dem Rücken zusammen. Dann tastete er ihn nach Waffen ab, fand die Pistole, gab sie Paul Wieland. Gemeinsam zogen sie den Gefangenen hoch, lehnten ihn mit dem Rücken gegen die Felswand.
»Sind Sie Leo Schweikert?« fragte Paul Wieland auf deutsch.
Der Mann antwortete nicht. Wieland zog ein Foto aus der Hemdtasche, hielt es ihm hin, leuchtete es an. »Also, Sie sind es! Wo sind die anderen?«
Wieder kam keine Antwort.
»Auch gut. Wir liefern Sie jetzt ab, und dann werden Sie reden, ob Ihnen danach ist oder nicht.«
»Es gab nur noch einen«, sagte der Mann, »und der ist tot. Er liegt ein paar Kilometer von hier entfernt an einem Abhang. Sie können sich davon überzeugen.«
»Das werden wir. Sie sind also Schweikert?«
»Ja.«
»Und der Tote? Ist das Richard Wobeser?«
»Ja.«
»Warum haben Sie ihn umgebracht?«
»Ich habe ihn nicht getötet. Er wurde, als wir in Pie de la Cuesta an Land schwimmen wollten, von der Brandung gegen einen Felsen geworfen.«
»Und wo ist das Geld?«
»Wir haben es verloren. Als wir mit dem Scooter unterwegs waren, um den Sperrgürtel zu umgehen, hatten wir das Geld im Schlepp. Es wurde losgerissen, wie Richard Wobeser losgerissen wurde.«
»Sie rühren sich nicht vom Fleck! Manolo, bewach ihn! Ich guck’ mir mal das Nest an.«
Außer Proviant und Zigaretten fand Paul Wieland nur ein Fernglas und ein Stück Leine. Beides nahm er mit.
»Gehen wir!« sagte er. »Und keine Tricks!« Er gab Manolo Schweikerts Waffe. Der Abstieg begann.
Manolo ging voran. Dann folgte der Gefangene. Paul Wieland als der Schlußmann der kleinen Reihe hielt seine MARLEY in der Rechten und in der Linken das lange Ende des Taus, mit dem die Hände des Gefangenen gefesselt waren.
Während des ganzen Abstiegs schwiegen sie, abgesehen von gelegentlichen Zurufen Manolos, der den Weg ausleuchtete und auf gefährliche Stellen aufmerksam machte.
Als sie bei den Autos angekommen waren, sprach der Gefangene zum erstenmal, ohne dazu aufgefordert worden zu sein. »Wie sind Sie auf die Höhle gekommen, überhaupt, auf den Berg, auf diese Gegend hier?«
Paul Wieland dachte: Bestimmt braucht Jerónimo beim Verhör einen Leo Schweikert, der von nichts weiß! So
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