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1986 Das Gift (SM)

1986 Das Gift (SM)

Titel: 1986 Das Gift (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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der gefährlichen Reise, dachte er, sind die Strapazen und Unsicherheiten ja nicht zu Ende, denn zunächst einmal müssen wir in ein Hotel, und das bedeutet: Ich muß das Zimmer mieten und Leo irgendwie hineinschleusen! Und dann? Dann geht es los mit der Wohnungssuche in dieser riesengroßen, unbekannten Stadt! Etwas Geeignetes läßt sich bestimmt nicht von heute auf morgen finden, und während ich mir also die Hacken ablaufe, sitzt in meinem Hotelzimmer ein Mann, den jedes Zimmermädchen stehenden Fußes ans Messer liefert, sobald ihr auch nur der geringste Verdacht kommt. Dann hab’ ich vielleicht grad unter hundert Mühen eine geeignete Wohnung gefunden, kehre ins Hotel zurück, um Leo zu holen, und … laufe der Polizei in die Arme!
    Ihm kam ein Gedanke, der ihn erschreckte, mehr noch, der ihm die Schamröte ins Gesicht trieb und den er trotzdem nicht gleich wieder fallenließ: Was, wenn ich ohne ihn verschwinde? Mir das Geld hole – ich könnte vielleicht auch doppelt soviel in meiner Jacke unterbringen – und damit in die USA fliege oder nach Europa? Muß nicht die Bilanz von vier Toten und einem fünften Mann, der von allen Hunden gehetzt wird, dem sechsten, dem einzigen Unverdächtigen, die Augen öffnen und ihm sagen: Geh, solange es nicht zu spät ist! Häng dein Leben nicht an einen, der schon so gut wie verloren ist! Noch hast du die Wahl, also geh oder geh zugrunde!
    Er löschte das Licht, blieb im Dunkeln sitzen. Die Vorhänge waren halb zugezogen. Er sah nur einen schmalen Ausschnitt der Bucht, und da er auch die Insel Roqueta im Blickfeld hatte, war es ein dreigeteilter Streifen: ein Stück Wasser, ein Stück Fels, ein Stück Himmel. Plötzlich sehnte er sich zurück nach den Tagen der FLECHA, und dieses Gefühl warf alle Versuchung über den Haufen.
    Er stand auf, ging hinaus, schloß das Zimmer ab und fuhr nach unten.
Als er in den CHRYSLER steigen wollte, kam ein junger Bursche auf ihn zu.
»Una casa con chicas?« Ein Haus mit Mädchen?
»Lárgate!« Hau ab!
Er stieg ein, fuhr los, bog rechts ab in die Costera.
Die Straße war fast leer. Ganz vereinzelt fuhren auf der jenseitigen Trasse Wagen stadteinwärts, und auf seiner Seite hatte er nur weit hinter sich ein paar Lichter. Als er an der Base Naval vorbeikam, erinnerte er sich an die Stimme, die aus dem Zimmer 1610 gekommen war und ihnen gedroht hatte: »Sechs Kampfhubschrauber stehen bereit. Die Besatzungen warten nur auf den Einsatzbefehl …«
Gesiegt, dachte er, haben wir eigentlich doch, denn sie haben nur unsere Toten, und die noch nicht mal alle, und außerdem nicht einen einzigen Dollar! Ja, wir haben gesiegt!
Die Straße wurde schmaler und führte nun bergauf. Er dachte an die Wochen vor dem Einsatz, als die anderen noch in Deutschland waren und er das Haus am Wasser allein bewohnte. Da war diese Strecke, wenn er aus der Stadt kam, immer sein Weg gewesen. Luisa fiel ihm ein, aber sie war ihm nur ein flüchtiges Erinnern wert. Ein Tropenmädchen, eine braune muchacha , die es aus Wut machte.
Er nahm eine Kurve, sah gleich darauf in den Rückspiegel und dann nach vorn, entdeckte keine Lichter, bog rechts ein in den Weg, machte die Lampen aus, fuhr langsam weiter. Wie oft hatte er hier im heißen Gehäuse des FORD GALAXIE geschwitzt und sich gefragt, ob er Fenster und Schiebedach öffnen und mit etwas Luft auch den Staub hereinlassen sollte. Rechts sah er die Silhouette des Michael-Jackson-Palastes und verstieg sich plötzlich zu einer Art Korpsgeist: Wir Millionäre …
Er hielt an, stieg aus, suchte nach einer Schneise, fand sie, dachte: Wieder mal Pinien!, fuhr den Wagen hinein. Dann nahm er Spaten und Schaufel aus dem Kofferraum und legte die letzten zweihundert Meter zu Fuß zurück.
Er fing sofort an, hob die Grasschicht ab, begnügte sich aber mit der Hälfte der Fläche. Es ging ja nur darum, eine einzige der allerdings von den Scootern verdeckten Geldboxen freizulegen. Er stapelte die Soden sorgfältig, um sie nachher schnell wieder auslegen zu können. Dann begann das eigentliche Graben. Zufrieden stellte er fest, daß der Boden von dem zweimaligen Aushub noch aufgelockert war. Die Arbeit ging ihm rasch von der Hand. Schon nach zehn Minuten hatte er eine Tiefe von etwa einem halben Meter erreicht.
Er gönnte sich eine Pause, träumte von dem Tag, an dem Leo und er sich das ganze Geld holen würden. Wann wird das sein? fragte er sich. In einem Jahr? Was, wenn bis dahin ein Haus hier steht, genau auf diesem Stück Land? Macht

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