1986 Das Gift (SM)
nichts! Wir kaufen es, auch wenn wir dreimal mehr bezahlen müssen, als es wert ist. Und dann amüsierte ihn die groteske Situation, die entstehen würde, falls der Verkäufer Vorauszahlung verlangte.
Er grub weiter. Jetzt ging es nicht mehr so schnell, weil er in der kleinen Grube stehen mußte und dadurch in seinen Bewegungen behindert war. Endlich aber stieß er mit dem Spaten auf Metall. Er ging in die Hocke, legte mit den Händen das Heck eines Scooters frei. Es ragte nur etwa zwanzig Zentimeter in das ausgeschachtete Viereck hinein, störte ihn also kaum, als er nun weitergrub. Nach zehn Minuten spürte er einen Widerstand. Er zog seine kleine Stabtaschenlampe aus der Hosentasche, beugte sich hinunter, machte die Lampe an, legte sie auf den Boden und arbeitete sich vorsichtig weiter. Wenig später kam eine Geldbox zum Vorschein. Noch einmal setzte er den Spaten an und drückte sie von der Seite her nach oben.
Und dann saß er in der Grube und hatte einen der kostbaren Behälter im Schoß. Er klopfte den Sand ab, öffnete den Verschluß, griff hinein. Das erste, was seine Hand ertastete, war eine der Pistolen, die sie den Dollars beigegeben hatten. Dann fühlte er das Geld, fühlte die Packen, nahm ein Bündel in die Hand, hielt es ins Licht. Es waren Fünfhunderter. Er legte den Stapel auf dem Grubenrand ab, griff erneut in die Box, doch da waren, schlagartig, all seine Träume zu Ende!
Er hatte nichts gesehen, nichts gehört, starrte fassungslos in das gleißende Licht, das plötzlich aufgeblitzt war. Und dann hörte er die Worte:
»Manos arriba!« Hände hoch!
Was er daraufhin tat, war nicht das Ergebnis von Überlegung, sondern der instinktive Versuch einer Gegenwehr. Er griff in den Behälter, umfaßte die Waffe, hob sie ins Licht. Die Antwort war ein von ohrenbetäubendem Lärm begleiteter Kugelregen. Alle um die Grube postierten Polizisten schossen, einige mehrmals. Die Treffer schleuderten ihn zurück. Er spürte keinen Schmerz, spürte nur die heiße Woge, die seinen Körper schüttelte und von der er wußte, daß nach ihr nichts mehr kommen würde. So müßig sein allerletzter Gedanke war, er gereichte ihm doch ein ganz klein wenig zur Ehre in seinem schnellen, unehrenhaften Sterben: Wie gut, daß ich Leo nicht reinlegen wollte! Er kippte zur Seite, blieb in einer Ecke der Grube liegen, so nah der Beute und doch weiter von ihr entfernt als jeder andere Mensch.
18.
Die Jagd war zu Ende. Paul Wieland und Jerónimo saßen in einem armseligen Bistro an der Costera und tranken Kaffee, müde, glücklich. Es war morgens acht Uhr, und sie waren die einzigen Gäste. Das Lokal öffnete erst um zehn, aber der Wirt hatte die beiden übernächtigt aussehenden Männer trotzdem hereingelassen. Er selbst hatte ihnen den Kaffee gekocht und serviert. Jetzt räumte er mit einigem Getöse seine Theke auf, während die muchacha auf dem steinernen Fußboden kniete und feudelte. Die meisten der etwa zwanzig Stühle waren noch auf den Tischen, die Beine aufwärts gerichtet.
Paul Wieland zog die Silbermünze aus der Tasche, legte sie auf den Tisch, erklärte:
»Hiermit gebe ich dir den Sheriffstern zurück. Der Dienst ist zu Ende. Ab heute mache ich wieder mein Hotel.«
Jerónimo nahm die Münze auf, betrachtete sie. »Ich danke dir für deine Mitarbeit. Du warst ein guter Polizist. Du warst besser als ich. Ich habe die Nummer zwei der Bande erschossen, genauer gesagt, meine Leute haben das getan. Du aber hast die Nummer eins gefangengenommen. Fangen ist besser als Töten.«
»Nicht ich war das, sondern Manolo, der Mann aus Puerto del Gallo.«
»Gut, ihr beide wart es! Und was ihr da oben auf dem Berg gemacht habt, war sehr eigenmächtig, sehr gefährlich, aber auch sehr gut.«
»Weiß Schweikert mittlerweile, daß der andere tot ist?«
»Ja, und auch, daß wir das Geld haben.«
»Wie hat er es aufgenommen?«
»Anfangs wollte er es nicht glauben, aber dann haben wir die Beweise aufgetischt, haben den Mann aus dem EL CANO und das Auto beschrieben. Als wir ihm dann noch die persönlichen Sachen des Toten zeigten, brach er zusammen. Innerlich, aber man sah es.« Jerónimo legte die Münze auf den Tisch, schob sie hinüber zu Paul Wieland. »Behalte sie noch, bis du dein Interview hinter dir hast!«
»Interview … das klingt so nach public relations. «
»Dann eben Sermon.«
»Das klingt nach Priester.«
»Ja, was soll es denn dann sein? Was willst du überhaupt von ihm? Wir haben alles herausgeholt. Wir wissen, wie seine
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