1986 Das Gift (SM)
zwar im Verhältnis 50:20:1 Toluol, ÄthoxinÄthanol und konzentrierte Salzsäure. Das Ganze muß dann erst mal achtzehn Stunden kochen, und …«
»So lange?« Der Vizeadmiral stöhnte auf. »Geht es nicht schneller? Gibt es nicht eine andere Möglichkeit?«
»Doch, aber eine, bei der ich nur etwa siebzig Prozent der Substanzen erfasse.«
»Was heißt das?« fragte Paul Wieland.
»Wenn die Konzentration 1000 ppm beträgt, könnte ich etwa 700 ppm nachweisen. Aber auch ein solches Ergebnis wäre natürlich schlimm genug.«
»Und wie lange dauert dieses Verfahren?« fragte der Vizeadmiral.
»Etwa eine Stunde reine Laborarbeit. Die Bergung des Fasses und die Extraktion des Probematerials kämen hinzu. Wenn die Kerle das Faß zugeschweißt haben, hat eine Erhitzung stattgefunden. Dann fliegt mir das Zeug beim Öffnen um die Ohren. Nehmen wir aber mal an, das Faß ist mit einem hermetisch schließenden Deckel abgedichtet und anschließend nur verplombt, und wir haben es auch schnell gefunden, dann könnte das Kurzverfahren einschließlich Bergung und Entnahme zwei, drei Stunden dauern.«
»Und wie wird der Nachweis erbracht? Was spielt sich da ab?« fragte Garcia.
»Ich muß zunächst eine Auftrennung der einzelnen chemischen Komponenten vornehmen. In eine Glassäule mit FlorisilLösung gebe ich zwei Milliliter von meinem Extrakt, lasse ihn von oben nach unten durchlaufen. Der erste Milliliter, der unten herauskommt, ist uninteressant, aber der zweite enthält die Dioxine. Die konzentriere ich dann noch einmal, indem ich das Lösungsmittel verdampfen lasse. Und dann brauche ich einen Gas-Chromatographen, das ist …«
»Mein Gott!« Der Vizeadmiral rang die Hände. »Können Sie es nicht ein bißchen einfacher erklären? Wir sind doch alle blutige Laien!«
Aber der Bürgermeister wies den Einwand zurück, wollte es genau wissen. »Lassen Sie ihn! Bitte, doctor , weiter!«
»Dieser Gas-Chromatograph hat ein sechzig Meter langes Röhrensystem, das …«
»Das darf doch nicht wahr sein!« Diesmal war es Garcia, der dazwischenrief. »Sechzig Meter? Da brauchen Sie ja eine Fabrikhalle!«
»Nein, nein, die Röhren sind Glaskapillare von 0,2 bis 0,3 Millimeter Durchmesser, und dann sind sie auch noch gewendelt, so daß die ganzen sechzig Meter in, sagen wir mal, einer Kaffeetasse Platz hätten. Ich spritze nun den Extrakt in die Kapillare, um eine Auftrennung der Dioxine zu erreichen. Dieses Gerät hat nämlich ein radioaktives Präparat, das speziell die Chlorverbindungen nachweisen kann. Das Ergebnis – ich kürze jetzt mal ab – ist ablesbar auf einem angeschlossenen Schreiber, der die Chlorverbindungen, also die Dioxine, registriert. Wie beim EKG erscheinen die Signale als Ausschläge. Aber es ist wichtig, daß danach der Anzug, die Handschuhe, die benutzten Geräte, kurzum, daß alles, was mit dem Dioxin Kontakt hatte, in eine fest verschließbare Kunststoffwanne kommt, die dann bei mindestens 1200 Grad verbrannt werden muß.«
»Und das Faß?« fragte der Bürgermeister.
»Ja«, Peralta rieb sich erneut die Stirn, »das eine und später dann auch die anderen, die müssen weg, in die USA oder nach Europa. In die Schweiz zum Beispiel. Da hat man geeignete Verbrennungsanlagen. Fassen wir zusammen! Wenn sie uns das Faß geben, könnte ich zwei bis drei Stunden später das Ergebnis haben. Aber ich müßte mich mit meinen Kollegen in der Hauptstadt in Verbindung setzen, damit alles, was ich benötige, sofort hergeschickt wird.«
»Zu diesem Punkt«, sagte derBürgermeister, »möchte ich die Meinung jedes einzelnen kennen. Wer von Ihnen ist dafür, daß wir die Burschen auffordern, uns eins ihrer Fässer zur Verfügung zu stellen? Ich bitte um das Handzeichen.«
Das Ergebnis überraschte ihn, weil er damit gerechnet hatte, daß bei dem einen oder anderen die Bedenken überwögen. Aber alle zehn stimmten diesem Weg zu, auch Paul Wieland, der ihnen aus der Seele sprach, als er jetzt sagte:
»Ich meine, die Karten müssen auf den Tisch! Selbst auf die Gefahr hin, daß unser Blatt sich als ziemlich mies erweist.«
7.
So warteten sie. Der nächste Sprechkontakt war für fünfzehn Uhr angekündigt, die nächste Sprengung für sechzehn Uhr, und zwar im Planquadrat B 7, einer Gegend östlich des Stadtviertels Costa Azul . Um 16.20 Uhr wollten die Erpresser sich dann wieder melden. Der Krisenstab hielt es für klüger, sie nicht schon jetzt zu rufen, sondern sie einfach kommen zu lassen, denn jede gewonnene Viertelstunde erbrachte
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