1986 Das Gift (SM)
daß wir dann aus Ihrer Weigerung den falschen Schluß gezogen haben und die Katastrophe über uns hereinbricht. Das wäre fatal, hatte aber auch für Sie bittere Konsequenzen: Sie hätten dann nicht nur kein Geld, sondern kämen auch nicht davon. Ende.«
Garcia ließ die Taste los. Jeder im Raum sah den Schweiß auf seiner Stirn und die von der Nässe dunkel gefärbten Partien seines weißen Hemdes. Er hatte im Stehen gesprochen; nun setzte er sich in einen der Korbsessel, wartete, so, wie die anderen neun auch warteten.
Die Antwort kam schnell, aber sie brachte nur ein Zwischenergebnis.
»Hören Sie?«
»Ja, wir hören!«
»Wir werden über Ihre Forderung nicht sofort entscheiden … Die Sprengung im Planquadrat B 7 findet, wie angekündigt, um sechzehn Uhr statt … Danach melden wir uns nicht … wie es festgesetzt war, um 16.20 Uhr, sondern um siebzehn Uhr … Aber wir warnen Sie … Leiten Sie jetzt keine Schritte ein, die Sie später zu bereuen hätten … Widmen Sie sich keiner anderen Aufgabe … als der der Geldbeschaffung und der Räumung der Chantengo Zone … damit es später keine unnötigen Verzögerungen gibt … denn Sie können sich hundertprozentig darauf verlassen, daß wir die Fässer haben … das Dioxin ist da … und wir setzen es frei … wenn nicht gezahlt wird. Ende.«
Sie sahen sich an, die zehn.
»Wieder das Stottern«, sagte Garcia. »Ich vermute, daß sie einige vorbereitete Texte haben, die ihnen aber nichts nützen, sobald wir ihr Drehbuch durcheinanderbringen. Was halten Sie von der Antwort?« Er blickte fragend in die Runde.
»Fifty-fifty«, sagte der Polizeichef, und auch der Admiral meinte: »Sie müssen sich erst bereden, und das kann bedeuten, daß sie die Fässer haben und nun überlegen, ob und wie sie uns eins davon zugänglich machen. Es kann aber auch heißen, daß sie sie nicht haben und sich den Kopf darüber zerbrechen, wie sie trotzdem weiterhin bedrohlich wirken sollen. Ich denke auch: fifty-fifty.«
Einige nickten. Der Psychologe aber wiegte den Kopf und kündigte schon dadurch seine Bedenken an. »Die Schlußbemerkung«, sagte er, »klang nicht gut. Sie hatte diesen eindringlichen, ja, heftigen Tonfall wie von jemandem, der beim Leben seiner Mutter schwört. Hombres , ich fürchte, sie haben die Dinger!«
»Vergessen Sie nicht«, antwortete der Chemiker, »daß solche Burschen mit allen Wassern gewaschen sind. Sie kennen die ganze Klaviatur, können also jederzeit so reden, daß es sich wie ein Schwur anhört. Ich finde, wir haben durchaus noch eine Chance auf gute Karten.«
8.
Auch auf dem Boot war der Sprecher ins Schwitzen geraten. Man sah es Fernando an, wie sehr die letzte Durchsage ihn angestrengt hatte. Er rieb sich den Nacken, dann das Gesicht, dann noch einmal den Nacken.
»Hast du in einem Ameisenhaufen gelegen?« fragte Leo. »Begreif es doch endlich: Nervosität können wir uns nicht leisten! Cool bleiben ist oberstes Gebot! Bei Licht besehen, handeln sie ganz logisch. Das ist gut. Problematisch wird es erst, wenn sie etwas tun, was wir nicht durchschauen. Wenn sie unberechenbar werden. Versetzen wir uns doch mal in ihre Lage! Ich bin sicher, wir hätten es genauso gemacht. Niemand kauft eine Katze im Sack, und schon gar nicht eine, die fünfundsechzig Millionen Dollar kostet. Die Frage ist jetzt: Gehen wir auf ihre Forderung ein oder nicht? Das müssen wir uns gründlich überlegen, aber nicht hier oben, wo die Sonne uns das Gehirn austrocknet. Außerdem habe ich Hunger. Ich schlage folgendes vor: Felix, Richard und ich gehen in die Kajüte, essen was und beraten dabei, wie wir vorgehen werden. Ihr drei anderen bleibt während der Zeit oben; wir dürfen die Brücke nicht unbemannt lassen. Ihr habt die Gläser; jeder beobachtet einen Sektor von hundertzwanzig Grad. Und vergeßt nicht den Monitor! Immer dran denken: Vielleicht schlagen sie unsere Warnungen in den Wind!« Er beugte sich über die Reling, blickte aufs Wasser. Auch am Kielboden war die FLECHA umgerüstet worden. Dort saß die Videokamera, und sechs Unterwasserscheinwerfer sorgten dafür, daß das Boot bei Tag und Nacht in einem Lichtring lag. Zusätzlichen Schutz bot der Kranz von Speerspitzen, der eine Handbreit über dem Wasserspiegel an der Außenhaut des Fahrzeugs angebracht worden war. Er bestand aus mehreren Stücken, so daß einzelne Partien heruntergeklappt werden konnten. »Und auch immer mal den Blick nach unten richten!« Für Raúl wiederholte Leo die Anweisungen auf spanisch,
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