1989 - Countdown für Chearth
Widerwillen lag in der Luft und störte die Harmonie.
Nicht einmal Corr roch danach, obwohl er sich nicht mit dem Neutralisator besprüht hatte. Aber nach dem Gebet war er bereits ausgeglichen gewesen; er hatte alle negativen Gedanken vertrieben und sich positiv eingestellt. Dies war nur ein Bad; rituell sehr wichtig und für die Gemeinschaft zuträglich, aber ohne politischen Hintergrund. Es mußten keine Entscheidungen gefällt oder Befehle angenommen werden.
Zu so einer Gelegenheit konnte er sogar Dro ga Dremm ertragen; der Drang nach Geselligkeit überwog die Antipathie. Und immerhin hatte er eine wichtige Position inne, deren er sich stets würdig erweisen mußte. Vor allem dann, wenn er noch so viel vorhatte.
Sein Wort mußte Gewicht haben, die anderen Scoctoren mußten ihn anerkennen. Das konnten sie nur, wenn er würdig war.
Dro ga Dremm schien zu merken, daß ihm keinerlei Gefahr drohte. Er befahl den Voranesen, den Raum zu verlassen. Beim Trance-Ritual hatten sie nichts verloren.
*
Allmählich drang das Elcoxol in die Poren und tat dort seine Wirkung. Wärme breitete sich in den dürren Leibern aus, die Haut wurde glatt und geschmeidig. Die Stoffwechselorgane pulsierten unter der Haut und verrichteten ihre Arbeit.
Jeder fühlte, wie die Last des Alters von ihm abfiel, wie neue Kräfte in ihm aufgebaut wurden.
Die Tazolen hatten sich alle in ihre kleinen Nischen zurückgelehnt. Die Augen waren geöffnet, der Blick jedoch nach innen gerichtet. Dämpfe stiegen auf und verstreuten das Licht zu diffusem Schein.
Die Trance begann. Die Geister öffneten sich, zeigten sich empfänglich für die göttlichen Visionen und Offenbarungen.
Das höchste Ziel, das man erreichen konnte, war eine gemeinschaftliche Vision, in der jedem dasselbe offenbart wurde.
Und genau das geschah jetzt. Wahrscheinlich zum ersten Mal überhaupt in der tazolischen Geschichte.
Sie sahen die Dämpfe, doch es waren nicht mehr dieselben. Ein Teil von ihnen zog sich zusammen zu einem nebligen, diffusen Gebilde von unbeständiger Form, ähnlich einer Wolke, die jedoch aus sich heraus leuchtete. Der Schemen waberte durch das Bad, schien alles abzusuchen. Dann verharrte er direkt über dem Pool, und es sah so aus, als versuchte er, sich zu manifestieren.
Das Leuchten wurde stärker, die Formen zogen sich zusammen, erstarrten teilweise - nur um dann wieder auseinanderzufließen.
Staunend betrachteten die Scoctoren diese Vision. Keiner von ihnen konnte sich erinnern, jemals etwas Vergleichbares erlebt zu haben. Ein kurzer Blick auf die Nachbarn zeigte, daß sie dasselbe sahen.
Als alle Versuche, sich zu manifestieren, mißlangen, nahm das Nebelgebilde die ruhelose Wanderung wieder auf.
Es schwebte zur Decke, zu den Wänden, auf und ab. Es suchte etwas.
Und dann, plötzlich, sprach es zu den Geistern der Tazolen. Klar und deutlich war seine Stimme zu verstehen, wenngleich auch seine Worte sehr wirr und unverständlich waren.
Die Signale sind untrüglich ...
Langsam schwebte es wieder zur Poolmitte und verharrte vier Meter über den badenden Tazolen.
Der Zeitpunkt des Handelns kommt jedoch zu früh ...
Es floß auseinander und zog sich wieder zusammen. Auswüchse bildeten sich, wuchsen nach oben, schienen weiter zu suchen.
Wie auch immer, laßt uns Gangrangoranka verwirklichen ...
Die flimmernde Erscheinung nahm das ruhelose Irren durch das Bad wieder auf.
Und dann, plötzlich, wie in einer schlagartigen Erkenntnis, kam es zu einem letzten mentalen Aufschrei: Dies ist keinesfalls der richtige Ort!
Und damit war es verschwunden.
*
Die Ruhe und Entspannung war vorbei. Alle Tazolen schrien durcheinander und versuchten herauszufinden, was sie da gesehen hatten.
Allein die Erfahrung an sich, daß sie alle dieselbe Vision gehabt hatten, war schon unglaublich. Doch was hatte sie zu bedeuten?
Welcher Gott war ihnen erschienen? Und was hatte er mit dem geheimnisvollen Begriff „Gangrangoranka" gemeint, der in keiner Schrift stand? Es war etwas völlig Neues, nie Dagewesenes.
Jeder von ihnen suchte nach einer anderen Interpretationsmöglichkeit.
Corr re Venth verhielt sich still. Er dachte darüber nach, ob dies Xions Zeichen war, um das er gebeten hatte.
Aber weshalb hatten es dann alle erfahren? Und dieser fremde Begriff war auch nicht zu erklären. Was für ein Wunder war hier geschehen?
„Ruhe!" befahl Dro ga Dremm mit harter Stimme.
Niemand hatte bemerkt, daß der oberste Scoctore das Bad verlassen und
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