199 - Das Monster aus dem Stein
einen falschen Gang liefen. Sie zeigte uns den Weg, den Caggon eingeschlagen hatte, aber sie führte uns nicht zu ihm, sondern endete vor einer Felswand.
»Man könnte meinen, er wäre durch den Stein gegangen«, sagte ich.
Mr. Silver sah sich die Wand genau an. »Sie muß mit irgendeinem Trick zu öffnen sein.«
Er tastete den Stein ab, schlug mit dem Höllenschwert dagegen, doch Sesam öffnete sich nicht.
»Verdammt!« ärgerte sich der Ex-Dämon. »Caggon befindet sich hinter dieser Wand, und wir können nicht zu ihm.«
»Bestimmt befindet sich da auch Reypees Leichentuch«, sagte ich.
Mein Blick fiel auf die beiden Granitzähne, die spitz gegeneinandergerichtet waren.
Ich wollte sie mir genauer ansehen, doch Mr. Silver rief: »Bleib diesen Stacheln fern, Tony! Mit denen stimmt irgend etwas nicht!«
»Spürst du eine feindliche Kraft?«
»Ich glaube, du würdest es nicht überleben, wenn du diese Spitzen berührst.«
Ich versuchte es mit der magischen Axt des Dämons. Sie klirrte gegen den oberen Zahn. Nichts. Auch der untere Zahn zeigte keine Reaktion.
Erst als ich die Axt langsam zwischen die Spitzen schwang, passierte etwas: Die Stacheln glühten plötzlich rot, und Blitze sausten in die Waffe, die mir im selben Moment aus der Hand gerissen wurde. Der Stiel begann sich um eine Achse zu drehen, die die feindliche Magie geschaffen hatte. Mit ungeheurem Drive rotierte die Axt und jaulte Augenblicke später in die dunkle Tiefe des Berges hinein.
In der Felswand entstand eine Öffnung durch die wir in eine magische Kristallwelt gelangten. Ich nahm die dickgliedrige Halskette ab, an der mein Dämonendiskus hing. Auf dem Kristallboden glänzte wieder Caggons Blut.
Aber wo war er selbst? Ich machte Mr. Silver auf das weiße Leichentuch aufmerksam, das hinter einer Kristallwand auf dem Boden lag. In ihm hatte einst Reypee, der Gottähnliche, gelegen. Seine unermeßliche Kraft war von diesem Gewebe aufgesogen worden. Anfangs, als ich zum erstenmal von Reypee hörte, konnte ich mir nicht vorstellen, daß wir jemals sein Grab finden würden. Als sich dann aber herausstellte, daß sich das Leichentuch irgendwo auf der Erde befand, erwachte in mir die Hoffnung, daß es uns eines Tages gelingen würde, seine wertvolle Kraft zu nützen - und nun hatte ich es vor mir.
Nur diese Kristallwand trennte mich von dem Tuch. Sie zu berühren war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für mich lebensgefährlich.
Ich trat dennoch an sie heran.
Plötzlich erfüllte Caggons gräßliches Gebrüll die Kristallhöhle, und dann griff die verletzte Bestie an. Ohne Waffe stürzte sie sich hinterrücks auf Mr. Silver und wollte ihm die kräftigen Raubtierzähne ins Genick schlagen, doch das verhinderte Mr. Silver, indem er von einem Augenblick zum anderen zu purem Silber erstarrte.
Caggons Zähne hackten gegen das glänzende Metall. Der Ex-Dämon drehte sich um, und Shavenaar schwang mit. Das lebende Schwert traf den tobenden Feind und schlug ihm eine tiefe Wunde in den Leib.
Caggon brüllte ohrenbetäubend. Die schwere Verletzung behinderte ihn, und diese Behinderung machte sich das kampferfahrene Höllenschwert eiskalt zunutze. Es hackte gleich noch einmal zu. Caggon brach zusammen.
Indessen schwang ich den Dämonendiskus gegen die trennende Kristallwand. Das Klirren hörte sich an, als hätte ich ein Schaufenster eingeschlagen.
Blitze schossen in alle Richtungen und schufen tiefe Sprünge, und einen Herzschlag später gab es die trennende Wand nicht mehr.
Mich erfüllte so etwas wie Ehrfurcht, als ich das Leichentuch nun direkt vor mir hatte. Wenn ich wollte, konnte ich es berühren!
Ein Schrei, der mir durch Mark und Bein ging, ließ mich wissen, daß Shavenaar den Schwarzblütler vernichtet hatte. Ich brauchte mich nicht umzudrehen.
Caggon war erledigt.
Ich bückte mich und streckte vorsichtig die Hand aus, um das Leichentuch zu berühren, doch Mr. Silver rief: »Vorsicht, Tony! Nicht berühren!«
»Aber es ist ein weißes Tuch. Die Kraft des Guten befindet sich in ihm.«
»Es könnte für dich zuviel des Guten sein!«
Da konnte der Ex-Dämon recht haben. Medikamente, in kleinen Dosen verabreicht, können ein Menschenleben retten. Nimmt man zuviel davon, stirbt man. Demnach konnte auch zuviel weiße Kraft schädlich sein. Ich zog meine Hand rasch wieder zurück.
Mr. Silver trat neben mich.
Auch er berührte das Leichentuch nicht. Er warf einfach das Höllenschwert in das Zentrum des weißen Gewebes -
Weitere Kostenlose Bücher