1990 - Der Silberwolf
beendet."
„Da... das ist nicht dein Ernst."Ein flammender Blick seines Vaters traf ihn. „Niemand kann es weiter verantworten, verstehst du? Wir bringen großes Leid über irregeleitete Wesen, die uns nichts getan haben." Lazaris Worte schleuderten Rudyr in einen unendlich tiefen Abgrund. Verstört wankte der Junge hinaus. Sein Vater ließ ihn gehen. Draußen im Korridor, der den Wohnbereich mit den Labors verband, kam ihm seine Mutter entgegen. Saidi genügte ein einziger prüfender Blick in sein Gesicht, dann wusste sie, was mit ihm los war. Sie nahm ihn in den Arm und drückte ihn sanft an sich. „Es wird alles wieder gut", flüsterte sie heiser. Aber daran wollte Rudyr nicht glauben. Er sah die Gesichter vorbeigehender Menschen, bedrückt und fassungslos. Keiner sprach ein Wort. Hätte es an Bord der MERLIN Mauslöcher gegeben, die klein genug waren, die Siganesen hätten sich jetzt darin verkrochen. Die Stimmung im Container sank auf den absoluten Tiefpunkt. Rudyr dachte aber auch an die vielen Milliarden Bewohner Chearths. War es wirklich sinnlos, weiterzumachen und ihnen zu helfen?
8.
15. April 1291 NGZ
Die Energielinsen-Teleskope zeigten in Richtung galaktische Westside das riesige Gebilde aus Protomaterie, in dem sich vor vier Monaten das Haus der Nisaaru befunden hatte. Die Wolke besaß etliche Lichtjahre Durchmesser. In ihrem Innern entstanden Protosterne, und aus diesen Gasballungen würden sich im Lauf von Jahrmillionen Sonnen und Planeten herausbilden. Nach den bisherigen Erkenntnissen hatte sich die hell strahlende Protomaterie durch Rotation verdichtet, wobei es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein künstlich hervorgerufenes Phänomen gehandelt hatte.
In der entgegengesetzten Richtung, also der Ostseite von Chearth, lagen die Gomrabianischen Hyperraumhügel, jene mehrdimensionalen Gebilde, entstanden durch die Manipulation an einem Bahnhof des Tiefenlandes. Sie spien rote Flammen aus, die den gesamten Raumsektor ausfüllten. Die Verzerrungen der Raum-Zeit-Struktur reichten bis in den Hyperraum hinein. Sie ähnelten Hügeln, zwischen denen sich ein scheinbar unendlich tiefes Tal befand. Für die Gharrer besaßen sie eine große Bedeutung.
Vor langer Zeit hatten sie versucht, das Phänomen zu erforschen. Aber keines der Schiffe, die sich in das Tal zwischen den Hügeln gewagt hatten, war jemals zurückgekehrt. Danach hatten die Meister des Sandes das Tal auf unbekannte Art und Weise versiegelt und die Gomrabianischen Hyperraumhügel zum Sperrgebiet erklärt, zur verbotenen Zone für alle Raumfahrer. Fast genau in der Mitte zwischen diesen beiden Phänomenen warteten bereits die PYXIS und die SHE'HUAN, nahe dem galaktischen Zentrum von Chearth. Weitere Einheiten würden in Kürze dazustoßen.
Aus dem Mund von Myles Kantor erfuhren die Insassen der GANIRANA, was sich in der PYXIS zugetragen hatte. Der terranische Wissenschaftler warnte sie und wies darauf hin, dass die Erscheinung jederzeit zurückkehren konnte. Nach Ganzettas Einschätzung hing das Phänomen einzig und allein mit dem Monochrom-Mutanten zusammen. Der Wlatschide konnte sich auch in diesem Fall nur über die Galaktiker wundern. Ein gefährliches Wesen wie Vincent Garron wäre unter seiner Verantwortung nie so lange am Leben geblieben. Er hätte es eliminieren lassen, bevor es weiteren Schaden anrichtete. Allerdings - und das gestand er den Verbündeten aus der fernen Galaxis Milchstraße zu - wäre es dann nie zur Vernichtung der drei aus dem Sonnentresor entwichenen Guan a Var gekommen. Dies verdankten sie allein Garrons Fähigkeiten. Er hatte die Sonnenwürmer aufgespürt, und die riesigen Haluter hatten sie mit Hilfe des Yaronags vernichtet.
Ganzetta wusste, dass Atlan einerseits den unfassbaren Fähigkeiten Vincent Garrons misstraute, andererseits ihn voll in die Planung bezüglich des Sonnentresors einbezog. Vielleicht hätte der Wlatschide an seiner Stelle trotzdem ebenso gehandelt. Vielleicht...
Der Silberwolf wandte sich an Atlan. „Ich verstehe, dass du diesen Garron in seinem merkwürdigen Kunstkörper brauchst, um die übrigen Sonnenwürmer zu bändigen. Wenn du also diese Schwachstelle in deiner Abwehr in Kauf nimmst, solltest du dich umso mehr vor der zweiten Bedrohung hüten. Ein Phänomen, das nicht fassbar ist, gefährdet jeden unserer Pläne."
„Eine Geistererscheinung, die keinen Schaden hinterlässt, würde ich nicht sofort als Bedrohung einstufen", lautete die Antwort des Galaktikers.
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