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1992 Das Theunissen-Testament (SM)

1992 Das Theunissen-Testament (SM)

Titel: 1992 Das Theunissen-Testament (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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einen mißbilligenden Blick Federicos, der wohl andeuten wollte. Nun ermuntere ihn nicht auch noch! »Ja, wie ich schon sagte, ein Paradies! Die meisten Touristen sind Amerikaner, weil die Bahamas sozusagen vor ihrer Haustür liegen. Überhaupt ist unsere Geschichte mit ihrer eng verknüpft. Als zum Beispiel bei ihnen der Bürgerkrieg herrschte, fanden die Waffenhändler hier ideale Schlupfwinkel, und in den dreißiger Jahren, während der Prohibition, waren es die Rum Runners, die die Inseln für den Alkoholschmuggel nutzten. Und heute? Na, das können Sie sich wohl denken, heute sind sie das Eldorado der Drogenschmuggler.«
    »Also ein Paradies mit ein paar saftigen Schönheitsfehlern«, warf Federico ein, ohne zu bedenken, daß nun er selbst es war, der dem Redestrom neue Nahrung gab.
    »Könnte man sagen. Aber das entwertet die Natur ja nicht. Es sind immer wieder die Menschen, die ein schönes Stück Land in Verruf bringen. Mit unserer Randlage zu den USA bieten wir Ausweichmöglichkeiten für alles, was dort verboten ist. Nehmen Sie allein das Glücksspiel! Wie viele Amerikaner kommen herüber, um sich in den Casinos mal so richtig auszutoben!«
    »Die haben doch Las Vegas«, sagte Olaf.
    »Las Vegas ist weit weg von Florida. Na, und dann die Steuern! Diesen leidigen Tribut gibt es bei uns nicht, jedenfalls nicht in der üblichen Form. Hier werden die Steuern einfach auf die Warenpreise draufgeschlagen, aber das stört den Ami nicht, wenn er sein Geld hierherbringt, um die staatlichen Abgaben zu umgehen …«
    Sicher wäre es noch eine Weile so weitergegangen, wenn die Stewardeß die Passagiere nicht aufgefordert hätte, sich für die Landung bereitzumachen, so daß der junge Mann sich verabschieden mußte. Er wünschte den dreien einen schönen Aufenthalt in seiner Heimat und ging in den vorderen Teil der Kabine. »Gott sei Dank!« entfuhr es Federico.
    »Wenigstens hat er uns eine Weile abgelenkt«, meinte Ernesto. »Und was«, fragte Olaf, »wenn er in Wirklichkeit gar nicht Student der UNIVERSITY OF THE WEST INDIES ist, sondern ein Vorbote vom Schrottplatz, der nach der Landung in Nassau durch ein leichtes Nicken auf uns weist und damit das Empfangs-Komitee informiert?«
    »Ausgeschlossen«, sagte Ernesto. »So viel Menschenkenntnis hab’ ich, daß ich dir garantieren kann. Der ist echt!«
    »Hoffen wir’s!« Olaf stellte seine Rückenlehne gerade und guckte dann durchs Fenster. Was er dort unten sah, hätte ihm durchaus gefallen können, doch es war genau wie am Todos-Los-Santos-See und auf dem Monte Osorno. Die Schönheit der exotischen Landschaft berührte ihn nur flüchtig. Wenn das Leben in Unordnung ist, dachte er, bleibt die Begeisterung aus, es sei denn, man ist Vagabund und hat die Unordnung zum Prinzip gemacht. So verfolgte er auch nur flüchtig die weißen Schaumkämme der ans Ufer brandenden Wellen, träumte nicht von einem belebenden Bad in dem türkisfarbenen und sicherlich seidenweichen Wasser, sondern sah die Insel New Providence, die sie nun anflogen, und deren Hauptstadt Nassau in erster Linie als Gefahrenzone an. Warum war Alejandra Alonso gefoltert worden? Doch wohl deshalb, weil die Täter alles aus ihr herausholen wollten, was sie über den Caso del Cobre wußte. Und sie wußte eine ganze Menge, mehr jedenfalls als die chilenische Polizei. Sie wußte nicht nur, daß er Olaf Theunissen war, sondern auch, zu welchem Zweck er diesen Kontinent bereiste, kannte sein nächstes Ziel, war eingeweiht in den Zusammenhang zwischen dem Schrottplatz von Curacavi und dem von Miami und hatte beim Zoll von Valparaiso nach dem Pendant zur OLGA geforscht. Der entscheidende Punkt war jetzt. Was hatte sie, bevor sie starb, ihren Mördern verraten? So als wären Federico und Ernesto eingeweiht in seine düsteren Gedanken, fragte er:
    »Wie stark ist so eine Frau?«
    Und die beiden wußten sofort, wer gemeint war. Sie rückten ganz dicht an ihn heran, wollten keine Ohrenzeugen. – »Ich fürchte, nicht sehr«, flüsterte Ernesto. »Und du, Federico? Du kanntest sie besser als wir.« Federico rieb sich das Kinn. »Sie war ein starker Typ, mutig, clever, resolut. Aber was ist das wert, wenn man eine Schlinge um den Hals hat? Ich glaub’, dann ist einem alles egal, wenn man nur sein Leben retten kann. Bestimmt haben die Kerle zu ihr gesagt: Mädchen, wir lassen dich laufen, wenn du auspackst. Erst wird sie sich geweigert, dann klein beigegeben haben. Also, ich fürchte auch, sie hat ihnen alles, was sie

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