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1992 Das Theunissen-Testament (SM)

1992 Das Theunissen-Testament (SM)

Titel: 1992 Das Theunissen-Testament (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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sofort genutzt, um abzuhauen. Mehr kann man gar nicht tun als abhauen und wegbleiben, um bei den Leuten als schuldig zu gelten. Also muß er schleunigst zurück. Bitte, hilf mir bei dem Versuch, ihn davon zu überzeugen!«
»Wie könnte ich dir dabei helfen?«
»Hast du in letzter Zeit Kontakt zu Jenny, Jacob und Mira gehabt?«
»Ja, wir haben manchmal telefoniert, und Jacob war mal hier.«
»Sie werden dir doch was erzählt haben.«
In Fragen der Intrige und des Bluffs war Georgine alles andere als geschult, aber sie besaß einen Instinkt für das, was hinter den Worten lauern konnte. Aus Johns Eifer glaubte sie den falschen Ton herauszuhören, und so war sie auf der Hut. »Ich weiß nur, daß sie Angst haben. Du sagtest eben, keiner bringt sich um wegen einer Schuld, die er in Wahrheit nicht hat. Ich glaub’ doch, daß so was passieren kann. Wenn einer das nämlich nicht mehr aushält. Denn ob er nun die Schuld hat oder man sie ihm nur gibt, vor den Leuten ist es dasselbe. Und das weiß er, und darum kann er unter dieser Last zusammenbrechen.«
Er spürte, gegen diese Logik würde er nichts ausrichten. So schwenkte er noch einmal herum, brachte seinen Gedanken aber nur zögernd vor:
»Und … wenn er nun doch … schuldig ist?« Sie biß kräftig in ihr Brot, zerkaute es, dachte unterdessen nach, schluckte schließlich den Bissen hinunter und antwortete:
»Das ist er nicht. Und wenn doch, hatte er ja erst recht einen Grund, sich umzubringen.«
John streckte die Waffen. Vielleicht wußte sie wirklich nichts.
Oder sie war zu keiner Auskunft bereit. Er stand auf.
»Ich fahr’ dann wieder.«
»Wieso? Schon zurück nach Hamburg?«
»Ja.«
»Willst du nicht wenigstens mal an den Deich?« »Hab’ dazu jetzt keine Zeit und keine Ruhe.«
Sie begleitete ihn bis zum Auto, und er fuhr davon. Das lange Winken, das üblich war, wenn ein Theunissen den Haubarg verließ, blieb diesmal aus. Hat er wohl vergessen, dachte sie, oder er war dazu nicht aufgelegt. Sie schüttelte den Kopf und ging ins Haus, trank in der Küche noch einen kleinen Genever und zündete sich ein Zigarillo an. Das brauch’ ich jetzt einfach, dachte sie. So einen kurzen Besuch hat noch keiner gemacht.

36
    »… und ich sage Ihnen, diese Inseln sind das Paradies! Die Luft ist balsamisch. Ihre Temperatur beträgt im Sommer durchschnittlich achtundzwanzig, im Winter sechzehn Grad. Auch das Meer ist das ganze Jahr hindurch angenehm warm. Sie können jederzeit schwimmen, surfen, segeln, fischen. Es ist, als wäre dem lieben Gott ein Haufen Perlen aus der Schatulle gekullert und sie wären alle hierher gefallen. Dreißig sind es, wenn Sie nur die bewohnten Inseln rechnen, siebenhundert, wenn Sie die kleinen, menschenleeren Eilande dazunehmen, und etwa dreitausend, wenn Sie alle Cays mitzählen, also die Felsen und Korallenriffe …«
    Es war ein kleingewachsener Schwarzer in beigefarbenem Leinenanzug und rosa Hemd, der dieses Loblied auf die Bahamas sang. Er trug eine randlose Brille mit zarten goldenen Bügeln und war, wie er zuvor erzählt hatte, Student an der UNIVERSITY OF THE WEST INDIES von Jamaica, doch studierte er nicht dort selbst, sondern besuchte die in seiner Heimatstadt Nassau gegründete Außenstelle der Hochschule.
    Er stand im Gang, wo er sich, weil sein Platz zur Nichtraucherzone gehörte, eine Zigarette angezündet hatte, und es war der ihm am nächsten sitzende Ernesto gewesen, der mit seiner Frage nach dem Kurs des Bahama-Dollars die weitschweifige Preisung in Gang gesetzt hatte, der sie alle drei mit nur geringem Interesse folgten, weil sie ganz andere Dinge im Kopf hatten. In Miami waren sie unbehelligt geblieben, hatten sich dort allerdings auch ausschließlich in der für Transit-Reisende bestimmten Halle aufgehalten. Das eigentliche Vonbordgehen stand ihnen also noch bevor. In fünfzehn Minuten würde es soweit sein, und so waren ihre Gedanken mehr dem International Airport von Nassau zugewandt als den überschwenglichen Mitteilungen des jungen Mannes.
    »Da!« Die dunkelbraune Hand mit der Zigarette glitt an ihren Gesichtern vorbei, erreichte das Fenster nicht ganz, wies aber hinaus. »Sehen Sie die Schattierungen? Grün, türkis, blau.« Die Hand ging wieder zurück. »Es ist ein sehr flaches Wasser, daher der Name Bahama, eigentlich baja mar, also flaches Meer, und was von dem großen, zusammenhängenden Sockel an vielen Stellen rausguckt, sind die Inseln.«
    »Es muß herrliche Strände da unten geben«, sagte Ernesto und erntete

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