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1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

Titel: 1994 Jagdzeit in Deutschland (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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seinem Onkel, dem in Hamburg lebenden Fabrikanten Eckehard Kämmerer. Wörtlich sagte er zu uns: ›Ich könnte euch alle in dem Betrieb unterbringen.‹ Für mich war das ein Hinweis darauf, daß er schon vor diesem Abend mit den vier anderen über eine Flucht in den Westen gesprochen haben mußte. In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, daß sowohl K. wie auch seine vier Schachfreunde wiederholt Ausreiseanträge gestellt haben …«
Er übersprang ein paar Seiten und stieß auf einen von Horst Fehrkamp verfaßten Bericht über Kämmerers spektakuläre Flucht in die Bundesrepublik und die Festnahme seines verletzten Sohnes, schließlich über die Wirkung des nachgestellten Films auf den Jungen. Wörtlich stand da: »Major Kopjella und ich führten T. K. den Drei-Minuten-Streifen vor, und Kopjella fragte ihn, ob er seinen weglaufenden Vater gesehen habe. ›Schwein‹, sagte der Junge daraufhin, wobei nicht klar wurde, ob er seinen Vater meinte oder Major Kopjella, der das Verhör führte. T. K. wurde in den folgenden drei Tagen fast pausenlos zum Komplex ›Gruppenbildung‹ befragt, mal von Kopjella, mal von mir, mal von uns beiden zusammen. Aber aus ihm war nichts herauszukriegen außer gelegentlichen staatsfeindlichen Äußerungen, wobei er im Gegensatz zu anderen renitenten Häftlingen nicht grob wurde, sondern sich einer eher behutsamen Ausdrucksweise bediente. Er sprach auch auffallend leise. Ich deutete das als Schüchternheit, während Major Kopjella meinte, das sei eine besondere Form der Infamie, wie man sie nicht selten bei intelligenten Leuten erlebe. Im weiteren …«
Ein Piepsen ertönte und wiederholte sich in kurzen Abständen. Kornmesser blickte hoch zu der roten Lampe. Sie war angegangen. Er drückte auf einen unter der Tischplatte angebrachten Knopf, und Ton- und Lichtsignal waren ausgeschaltet. Gleich darauf traten Henke und Hübner ein. Nach der Begrüßung nahmen sie Platz.
»Also, was ist los?« fragte Kornmesser. »Euer Telex klang alarmierend.«
»Wir haben«, begann Henke, der mit seinen vierzig Jahren nicht nur ein Jahrzehnt älter war als Hübner, sondern in seiner aktiven Zeit auch einen höheren Rang innegehabt hatte, »in den letzten achtundvierzig Stunden fast ständig observiert. Uns sind fünf Plätze bekannt, an denen Paul Kämmerer auftauchen könnte. Es sind, sein Privathaus, die Fabrik, in der er arbeitet und die seinem Onkel gehört, das Haus der Familie Dillinger, die Wohnung der Kopjella-Kinder in der Jarrestraße und das Hotel VIERLANDEN. Wir haben uns die Arbeit, so gut es eben ging, geteilt, aber zwei Männer und fünf Objekte, das ergibt keine Rund-um-die-Uhr-Bewachung. Es wurde also zwangsläufig eine Observierung mit Lücken. Trotzdem führte sie zu einem gewissen Erfolg, wenn auch zu einem nach unserer Ansicht unerfreulichen. Aber jetzt kann Hübner weiterreden, denn er hat die erste überraschende Entdeckung gemacht.«
Hübner schloß sofort daran an:
»Weil ich das Dillinger-Haus in Blankenese ja schon kannte, habe ich da die Beobachtung übernommen und dazu die Jarrestraße, auf die ich mich dann auch mehr und mehr konzentrierte, denn Sie hatten gesagt, daß der Kontakt zwischen Dillingers und Kämmerer vermutlich abgebrochen worden ist. Gestern abend stand ich vor dem fraglichen Haus in der Jarrestraße, schräg gegenüber vom Eingang. Ich hab’ die Kopjella-Kinder schon mehrmals gesehen, kenne sie also. Kämmerer ist während meiner Observierung nicht erschienen, aber etwas anderes ist mir aufgefallen. Oswald Kopjella verließ um dreiundzwanzig Uhr zehn das Haus. Bevor er auf die Straße trat, sah er wiederholt nach links und rechts, und auch als er dann zur U-Bahn-Station Saarlandstraße ging, hielt er Ausschau nach allen Seiten. Es bestand kein Zweifel. Er prüfte, ob er beobachtet wurde, und das war nach Lage der Dinge bemerkenswert. Sollte Kämmerer zu ihm Kontakt aufgenommen haben, fragte ich mich, um Frank Kopjella auf die Spur zu kommen? Egal, mir kam sein Verhalten eigenartig vor, und ich beschloß, ihm zu folgen. Ich ging also auch in die U-Bahn. Einmal stieg er um. Ich hinterher. Wir fuhren bis Dammtor. Und nun kommt’s. Kopjella junior traf sich tatsächlich mit jemandem, und zwar im PLAZA, das ja gleich neben dem Dammtorbahnhof liegt. Die beiden gingen sofort zum Lift, aber drei, vier Sekunden lang konnte ich den anderen genau sehen. Es war der Vater. Es war Major Kopjella.«
Kornmesser starrte Hübner an, schüttelte den Kopf, zunächst

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