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1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

Titel: 1994 Jagdzeit in Deutschland (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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war’s auch. Der Fahrer machte es anschaulich, sprach von einem Schnellwaschgang.«

35
    Zu dem an der Trave gelegenen HADEX-Unternehmen gehörte neben Lagerhallen und Versuchsfeldern das vierstöckige Verwaltungsgebäude, in dessen Kellerräumen das Archiv, die Waffenkammer und ein großer Tagungsraum untergebracht waren.
    Es gab insgesamt vierundvierzig Mitarbeiter. Unter ihnen befanden sich acht Personen, die nach außen hin zwar auch mit dem Export von Düngemitteln zu tun hatten, in Wirklichkeit jedoch, nachdem sie jahrelang von demselben Platz aus für die DDR konspirativ tätig gewesen waren, den Geheimfonds verwalteten, und das hieß, sie hatten die in der Schweiz und in Luxemburg angelegten zweihundert Millionen Mark unter ihrer Kontrolle. Außerdem leiteten sie die Bewirtschaftung der Nester und betreuten zugleich jene achtunddreißig Stasi-Offiziere, die dort untergeschlüpft waren.
    Der Geschäftsführer der HADEX, Bernhard Breuer, gehörte dieser achtköpfigen Tarntruppe an. Ihre Nr. l jedoch war Oberst Kornmesser. Er hatte nach der Wende zunächst nichts anderes im Auge gehabt als den Schutz der versprengten Getreuen. Später dann, als offenkundig wurde, daß die Bundesrepublik darauf und daran war, sich an dem DDR-Brocken zu verschlucken, hatte er die Chance gewittert, in absehbarer Zeit zusammen mit den alten Gefährten auch politisch wieder aktiv werden zu können. Bis dahin aber mußten sie sich den strengen Regeln eines Lebens im Untergrund beugen.
    Kornmesser und Breuer saßen am Konferenztisch des Archivs. Sie erwarteten die Kameraden Henke und Hübner, die sich für elf Uhr dreißig angemeldet hatten. Es war Sonnabend, und so ruhte im offiziellen Bereich der Firma die Arbeit.
    »Wie hast du Henke ausgerüstet?« fragte Kornmesser. »Mit einem LEITZ-TRINOVID-Glas und einem MOTOROLA-Sprechfunkgerät, wie auch Hübner eins hat. Und was das Schießeisen betrifft, wollte ich ihm eine BERETTA 98 F TARGET geben, aber er entschied sich für die 87 BB, weil sie nur halb soviel wiegt.«
    »Das leuchtet ein. Er steht ja nicht im Schützengraben oder auf dem Schießstand, sondern geht unter die Leute. Die BERETTA 87 BB wiegt nicht nur weniger als die TARGET, sie ist auch sieben Zentimeter kürzer. Und Schmidtbauer? Was für eine Waffe hat der eigentlich?«
    »Als eingefleischter Ostblock-Mensch will er immer nur die TUCAREV 7.62, wenn’s denn die KALASCHNIKOW aus Raumgründen nicht sein kann.«
    »Und Hübner?«
    »Hat eine 9 mm HECKLER & KOCH. Ich weiß nicht genau, ob die M 8 oder die M 13. Ich müßte nachsehen.«
    »Laß! Aber wenn du sowieso ein paar Schritte machen willst, kannst du mir mal die Akte Kämmerer raussuchen.«
Breuer ging in einen Nebenraum, kehrte nach wenigen Minuten zurück und legte eine gelbe Akte auf den Tisch.
»Danke. Ich brauch’ dich jetzt nicht mehr. Wenn Henke und Hübner kommen, schickst du sie bitte gleich zu mir.«
»Ohne Signal?«
Kornmesser sah kurz hoch zu der über der Tür angebrachten roten Leuchte. »Nein, mit Signal, aber nur, damit es nie unterlassen wird. Niemals!«
»Gut.«
Breuer verschwand, und Kornmesser schlug die Akte auf, überflog als erstes den Beobachtungsbericht eines Hauptmanns Kallberger der Bezirksverwaltung Halle vom 14. Juni 1987. Darin waren alle Bewegungen des Paul Kämmerer in der Zeit vom 9. bis zum 12. Juni 1987 aufgeführt, die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz, Einkäufe in Lebensmittelgeschäften und Kaufhäusern, ein Kinobesuch, zwei Treffen mit Freunden oder Bekannten, der zehnminütige Aufenthalt in einer Buchhandlung und die Wahrnehmung eines Termins beim Zahnarzt. Außerdem stand auf dem Blatt, wann an den vier Abenden in seiner Wohnung das Licht ausgegangen war. Bei dem Buch, das Kämmerer gekauft hatte, handelte es sich, wie die Nachfrage im Laden ergeben hatte, um das beim VEB TRANSPRESS erschienene LEXIKON DER SEEFAHRT. Durch Erkundigungen im Freundeskreis des Kämmerer-Sohnes Tilmann war festgestellt worden, daß der Vater das Buch dem Jungen zum fünfzehnten Geburtstag geschenkt hatte.
Kornmesser blätterte weiter, überflog mehrere Berichte, hielt sich bei dem vom 19. August 1987 wieder etwas länger auf, las dort von den Beobachtungen eines IM Frettchen während einer abendlichen Zusammenkunft Paul Kämmerers und vier weiterer namentlich aufgeführter Personen. Alle waren sie Mitglieder eines privaten Schachclubs. Der sechste Spieler an diesem Abend war der IM gewesen. In seinem Bericht hieß es: »K. sprach von

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